Grübeln – Das Wiederkäuen der Gedanken

Warum grüßt der mich nicht? Warum kann die mir nicht sagen, dass meine Ausarbeitung oder mein Kundengespräch gut war? Warum ruft er mich nicht an? Was wäre gewesen, wenn ich damals widersprochen hätte…? Beim Grübeln kreisen die Gedanken immer um die gleiche Frage, konzentriert sich das Denken wiederkehrend auf das gleiche Problem und dessen mögliche Ursachen. ‚Rumination’ oder auch das ‚Wiederkäuen der Gedanken‘ nennen die Psychologen diese Gedankenschleifen, die sich zudem dadurch auszeichnen, dass sie sich fast ausschließlich auf die eigene Person beziehen.

Grübeln hat meist einen konkreten Auslöser, wie das Beispiel, dass der Kollege grußlos an einem vorüber geht oder dass sich ein Mitarbeiter für ein Lob nicht bedankt. Kleine Ereignisse, die eigentlich keinen großen Nachhall finden sollten. Doch es sind meist diese Art von Alltagssituationen, die beim Grübler das ‚innere Reden’, das zu sich selbst Sprechen auslösen, weniger Lebenskrisen wie der Verlust der Arbeit oder die Trennung vom langjährigen Partner.

Grübler-Fragen beginnen meist mit einem ‚Warum‘. Ein Grübler stellt sich selbst fortlaufend die gleichen Fragen, weil für ihn das Erlebte ständig präsent ist und ihn zudem noch an frühere negative persönliche Erfahrungen erinnert, die er bislang nicht verarbeitet hat. Oder er sieht sich als ‚Opfer‘, das dem ‚Täter‘, dem grußlosen Kollegen, hilflos ausgeliefert ist. Manchmal steckt hinter dem Grübeln auch das menschliche Bestreben, alles verstehen zu müssen und erklären zu können, wie z. B. das unfreundliche Verhalten des Kollegen. Sind die Ursachen erst einmal herausgefunden, dann, so die Hoffnung, kann das Grübeln – und der damit verbundene Stress – künftig unterbleiben.

Sich mehrfach mit einer Frage zu befassen, Herausforderungen von verschiedenen Seiten zu betrachten, sie zu analysieren und zu hinterfragen, ist ‚normal’. Meistens führt dieses gedankliche Wiederholen dazu, zunehmend lösungsorientiert zu denken und neue Wege zu finden. Beim Grübeln fehlt der Blick nach vorn, die zermürbenden Gedanken richten sich fast ausschließlich auf die Vergangenheit und das oft zu lange. Ein grübelnder Mensch setzt sich damit selbst unter Stress, der sich anhand von erhöhtem Blutdruck und gesteigerter Herzfrequenz auch medizinisch nachweisen lässt.

Je länger das Grübeln andauert, desto größer ist die Gefahr, dass es wie ein ‚Brandbeschleuniger‘ auf negative Gefühle wirkt, so der Psychotherapeut Tobias Teismann vom Zentrum für Psychotherapie Bochum, dass der Grübler sich immer selbstkritischer sieht und sich zunehmend selbst abwertet bis hin zur Entwicklung einer Depression.

Um aus dem Hamsterrad des Grübelns auszusteigen, reicht ein einfaches ‚Stopp‘ meistens nicht. Ein erster Schritt kann sein, das ‚Warum‘, das darauf abzielt, allgemein gültige Regeln und Gesetzmäßigkeiten herauszufinden und zu entdecken, zu ersetzen durch ein ‚Weshalb ruft er nicht an‘ oder ein ‚Was hindert ihn daran, anzurufen‘?. Weiterhin, so die neuere Forschung, kann die Methode der Achtsamkeit helfen aus dem Teufelskreis des Grübels herauszufinden. Und manchmal auch der Hinweis, dass es die eigenen Gedanken sind, die ‚Worst-Case-Szenarien‘ ausmalen und nicht die real statt gefundene Situation. Denn womöglich war der grußlose Kollege gerade selbst am Grübeln.

Checkliste

 

1.) Mit dem Wiederkäuen der Gedanken sind nicht die nachsinnenden Gedanken gemeint, sondern das quälende und manchmal stundenlang sich wiederholende Grübeln. Jeder Mensch grübelt. Entscheidend zwischen einer Grübelei und einem Grübeln ist, dass Menschen mit einer starken Tendenz zum Grübeln immer wieder angestrengt und wenn es die Situation erlaubt, stundenlang und pausenlos nachdenken.

2.) Grübeln lässt sich durch ‚Achtsamkeit‘ abmildern. Z. B. durch eine Übung wie sich täglich 10-15 Minuten lang nur auf die Außenwelt zu konzentrieren, Yoga-Übungen zu machen, zu meditieren oder sich bewusst auf das Hiersein zu konzentrieren und dies wahrzunehmen und jeden Gedanken mit Stopp aufzuhalten, der aus dem ‚Jetzt‘ wegtriften möchte.

3.) Eine weitere Methode der Achtsamkeit kann sein, die Grübeleien und die Sorgen schriftlich festzuhalten und anhand des Geschriebenen zu überprüfen, ob zum Beispiel die die Aussage ‚der Kollege mag mich nicht, wenn er mich nicht grüßt‘ stimmt oder ob es nicht vielmehr die eigenen Ängste sind, abgelehnt zu werden, die das Gedankenkarussell in Schwung bringen.

4.) Fragen, wie ‚was versprechen Sie sich vom Grübeln?‘ bringen manchmal überraschende Antworten. Zum Beispiel, dass es das Grübeln erlaubt, pessimistisch die eigene Welt zu betrachten und weniger enttäuscht zu sein, wenn die Dinge so eintreffen, wie erwartet.

5.) „Halte dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei, und in dieser Zeit mache ein Nickerchen.“ sagte der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Abraham Lincoln.

Tipps zum Lesen

Gerin, William: https://profiles.psu.edu/profiles/display/112586, Literaturliste, The Pennsylvania State University

Teismann, Tobias: Grübeln: Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst, 2014 (2. Auflage), Balance Buch + Medien Verlag, ISBN: 978-3867390811

http://karrierebibel.de/gruebeln-gruebler/, 24. 5. 2015

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