Ich bin nicht gut drauf
„Ich bin einfach nicht gut genug dafür und deshalb brauche ich mich auch nicht auf den Job bewerben“. Zwar wäre die Stelle für Luisa B. „genau das, was ich machen möchte, aber weshalb sollen die ausgerechnet mich auswählen.“ Die junge Marketing-Fachfrau war fest davon überzeugt, dass sie zu wenig kann und dass sie es es auch nicht verdiene, eine ihr adäquate Arbeit zu bekommen.
Was brachte Lucia B. dazu, so negativ über sich zu denken und sich damit ihre Chancen auf einen attraktiven Job zu verbauen, obwohl sie ihr Betriebswirtschaftsstudium erfolgreich und gut abgeschlossen hatte? Weshalb stellte sie sich und ihre Fähigkeiten im Coaching mit jedem zweite Satz in Frage, statt stolz auf das von ihr Geleistete zu sein.
„Wenn ich doch mal anfange mich zu trauen, mich zu bewerben, dann kommt die innere und verachtend sprechende Stimme, die mir sagt, ich könne es sowieso nicht und hätte nicht die nötigen Voraussetzungen dafür und dann lasse ich es sofort wieder.“
Die innere Stimme, mit der Luisa B. ihr Angst beschrieb, dass sie bei der Stellensuche sowieso abgewiesen werde, resultierte aus ihrem mangelnden Selbstwertgefühl und ihrer daraus resultierenden Selbstverachtung. Sie hatte in ihrer Kindheit erfahren, dass ihr Können nicht den Wünschen und Vorstellungen ihrer Eltern entsprach und schämte sich dafür, ihren Eltern nicht genügen zu können. Diese Last hatte sie in ihr Erwachsenenleben mitgenommen. Ihre eigenen und positiven Erfahrungen, die sie im Laufe ihrer Schulzeit und ihres Studiums gemacht hatte, schob sie auf die Seite. Sie wogen weniger für sie.
Wer sich selbst verachtet oder einzelne Teile seiner Persönlichkeit, vermeidet es, sich in allen Aspekten und in seiner ganzen Individualität zu akzeptieren und damit auch seine Schwächen und seine Stärken. Stattdessen schämt er sich vor sich selbst, weil er glaubt, er genüge nicht. Die Konsequenz ist dann der Versuch, immer noch besser und perfekter zu werden und jedes Scheitern als Beweis für die eigene Unfähigkeit anzusehen.
Mit Hilfe einer Beratung lernte Luisa B. ganz allmählich zu akzeptieren, neben ihren Schattenseiten auch ihre positiven Eigenschaften wahrzunehmen, darunter ihre Begabungen und ihr außergewöhnliches berufliches Können. Immer häufiger wagt sie inzwischen, sich selbst zu vertrauen und darauf, dass ihr Traumjob Wirklichkeit wird.
Checkliste
1.) Scham gehört zu den sogenannten Grundemotionen, die offenbar bei allen Menschen vorkommt. Wofür wir uns schämen, hängt allerdings von den Werten und den Erfahrungen ab, mit denen wir aufgewachsen sind.
2.) Für Außenstehende ist es oft unverständlich, weshalb jemand von sich glaubt, er sei nicht gut genug und leiste zu wenig.
3.) Gelingt es, durch Arbeit an uns selbst, unser Selbstwertgefühl so zu stärken, dass wir immer weniger von der Anerkennung der anderen abhängig sind, dann können wir lernen, unsere Schwächen und unsere Stärken anzunehmen und damit umzugehen.
Tipps zum Lesen
Kast, Verena: Trotz allem Ich, 2005, Herder Verlag, ISBN: 9783451056413