Mein innerer Kritiker

Kennen Sie den? Den Vielquatscher? Der ständig dazwischen geht, wenn Sie etwas tun oder gerade fertig gemacht haben? Der, der viel zu oft sagt, „Du weißt doch, dass Du das nicht kannst“. Oder: „Das Meeting hast Du mal wieder richtig in den Sand gesetzt. Du machst auch gar nichts richtig“. Kritik dieser Art kann nicht nur von außen, von anderen kommen, sondern auch von innen. Denn wir haben alle, mit mehr oder weniger lauter Stimme, einen inneren Kritiker in uns. Einen inneren Kritiker als Teil unserer Persönlichkeit, der zudem noch für alles ein Experte zu sein scheint, fürs Autofahren ebenso wie für berufliche Herausforderungen und für Alltagsfragen.

Seine Anwesenheit in uns machen wir uns allerdings nicht immer bewusst. Manchmal ist es für uns so selbstverständlich, dass er an allem etwas rumzumäkeln hat, dass wir ihn gar nicht mehr wahrnehmen. Der innere Kritiker ist der Anteil in uns, der jeden Fehler, den wir machen, dazu nutzt, das Vertrauen in uns selbst zu torpedieren und uns das Gefühl vermittelt, wir arbeiten nur unzureichend und auf keinen Fall gut genug.

Verständlich, dass wir auf die Dauer immer weniger mit uns selbst zufrieden sind. Wir fühlen uns durch unseren inneren Kritiker angetrieben, alles noch perfekter, noch unangreifbarer, noch mustergültiger zu machen, als zuvor. Und viele Situation interpretieren wir mit Hilfe unseres inneren Kritikers sofort zu unseren Ungunsten. Etwa, wenn er sagt, „der Kollege, der Dich vorhin nicht gegrüßt hat, der mag Dich nicht mehr“. Dabei hatte dieser womöglich nur einen schwierigen Tag und hat seine Umgebung gar nicht wahrgenommen. Oder wenn wir von unserem Chef oder von unserer Kollegin hören, dass wir im Workshop einen guten Vortrag gehalten haben und dann sofort denken, „das hätte doch jeder gekonnt, das ist doch eine Kleinigkeit“, anstatt uns über die Anerkennung zu freuen. Der innere Kritiker in uns schafft es, dass wir anderen gegenüber klein und eng werden, weil wir uns selbst nicht Wert schätzen. Ihm gelingt es auch, dass wir uns selbst demotivieren. Denn wenn wir unsere Erfolge mit beiläufigen Bemerkungen als nichts Besonderes abtun, anstatt sie zu feiern und sei es mit einer kleinen Kaffee- oder Teepause, dann haben wir vermutlich auch nur wenig Motivation, die nächste Aufgabe anzupacken. Außer, unser Perfektionist als weiterer Teil unser Persönlichkeit peitscht uns nach vor.

Fragt sich, wie wir mit unserem inneren Kritiker umgehen können. Erfahrungsgemäß hilft es wenig, ihn zu bekämpfen, da er sich dagegen heftig zu wehren weiß. Erfolgreicher scheint zu sein, ihm seine Grenzen aufzuzeigen und ihm zu verdeutlichen, dass wir über uns und unser Handeln entscheiden und nicht er. Manchmal brauchen wir hierzu die Unterstützung Dritter.

Checkliste

 

1.) Der innere Kritiker ist dann besonders aktiv in uns, wenn wir wertschätzende Kritik nicht als Hilfe, sondern als Angriff empfinden. Schließlich können wir uns doch schon so perfekt kritisieren, das kann kein anderer besser.

2.) Der innere Kritiker kann für uns auch eine gewisse Hilfe sein. Z. B., in wenn er sagt, schau noch mal genau hin, die E-Mail, das Thesenpapier oder die Lösung für eine Aufgabe kannst Du noch genauer oder zielführender ausarbeiten.

3.) Wir können üben, unserem inneren Kritiker Grenzen zu setzen. Zum Beispiel, indem wir Sätze wie „ich muss“, „ich hätte… „, „ich hätte müssen…“ immer wieder umwandeln in Sätze wie: „ich kann“, „ich erlaube mir“, „ich habe…“

4.) Gelingt es uns dann noch, die teilweise heftigen kritischen Worte des inneren Kritikers in positive und uns zugewandte Worte zu fassen oder einfach mal Stopp zu sagen, wenn er wieder mal endlos zu kritisieren scheint, dann haben unsere Selbstzweifel weniger Raum in uns und unser Selbstvertrauen kann wachsen.

 

Tipps zum Lesen

Diesbrock, T.: Hermann! – Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker, 2011, Patmos V., ISBN: 978-3843600354

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