Ich rede mit mir

Wenn ich wütend bin, soll ich mit mir selbst reden? Oder wenn ich mich über mich freue? Ist das Selbstgespräch nicht eher ein Ausdruck von Angst oder gar von Depression? Forscher wie der amerikanische Psychologe Thomas Brinthaupt haben in den letzten Jahren gezeigt, dass wir unsere Selbstgespräche, die wir alle regelmäßig als innere Monologe führen, gezielt für uns einsetzen können. Damit können wir uns über viele Situationen hinweghelfen.

Zum Beispiel als Motivationshilfe: Sportler nutzen die Selbstrede schon seit längerem, um damit nachweislich bessere Leistungen zu bringen. Je nach Sportart geben sie sich selbst klare Anweisungen oder helfen sich mit allgemeinen Glaubenssätzen. Zum Beispiel wirken Sätze, wie „hau rein“ oder „gib alles“ unterstützend bei Sportarten für die sie Kraft und Ausdauer benötigen. Feinmotorische Sportarten wie Schwimmen oder Golf brauchen dagegen konkrete Ansagen wie „steh gut auf beiden Füßen“. Viele Sportlerinnen und Sportler scheuen sich inzwischen auch nicht mehr, ihre motivierenden Worte vor einem Wettkampf laut auszusprechen oder zumindest vor sich hinzumurmeln. Sie wissen, dass sie ihnen helfen, sich auf den anstehenden Wettbewerb zu konzentrieren und dabei selbstsicherer aufzutreten.

Der ehemaliger Nationaltorwart Oliver Kahn, der das Selbstgespräch ganz bewusst für sich eingesetzt und trainiert hat, sagt von sich selbst, dass er sich damit in einen ‚mental starken‘ Zustand versetzt habe und dies sicher ein wichtiger Faktor für seine erfolgreiche Karriere gewesen sei.

Auch außerhalb des Sports kann uns der Dialog mit uns selbst weiter bringen. Beispielsweise können wir versuchen, im lauten Selbstgespräch im stillen Kämmerlein unsere Wut auf unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Chefs oder unsere Partner los zu werden oder zumindest abzumildern, wenn wir ansonsten keinen anderen Lösungsweg sehen. Statt unsere Wut in uns hineinzufressen, sagen wir ihnen im Selbstgespräch deutlich, wie wir die Situation empfunden haben, die uns wütend gemacht hat. Meistens fühlen wir uns danach besser.

Umgekehrt können wir uns mit Sätzen wie, „das schaffst Du sowieso nicht“, selbst blockieren und uns in eine negative Stimmung versetzen. Mit dem zu erwartenden Ergebnis, dass wir es tatsächlich nicht schaffen.

Gelingt es uns dagegen, unser Angst vor Prüfungen, vor dem Gespräch mit den Mitarbeitenden, vor der Präsentation im Kollegenkreis mit Sätzen zu beeinflussen, wie „ich habe mich gut vorbereitet, mir gelingt das“, dann kann unser Selbstgespräch dazu beitragen, dass wir die Angst kontrollieren und sie nicht uns. „In der kognitiven Verhaltenstherapie“, so Thomas Brinthaupt, „bringen wir den Betroffenen bei, Selbstgespräche positiv zu nutzen“ umso zu versuchen, ihre Ängste zu überwinden und den Blick auf die konkrete Situation zu beeinflussen.

Lächeln wir bei unserem Selbstgespräch oder betrachten wir uns dabei froh im Spiegel, dann können wir immer wieder erfolgreich die vor uns stehenden Herausforderungen bewältigen können.

Checkliste

 

1.) Wollen wir Selbstgespräche als Motivation für uns selbst nutzen, dann gilt es, herauszufinden, was uns konkret hilft. Allgemeine Aussagen, wie „Du schaffst es“, reichen manchmal nicht aus. Besser kann es sein, uns zu fragen, „packe ich das“? Unsere Antworten auf unsere Fragen im Selbstgespräch zeigen uns dann, ob es für uns lohnenswert ist, uns für eine bestimmte Sache oder ein bestimmtes Thema zu engagieren.

2.) Wenn wir im Selbstgespräch dazu neigen, uns häufiger selbst zu kritisieren, dann bringen uns motivierende Sätzen dazu, unser Vertrauen in uns selbst zu stärken und zu vertiefen.

3.) Die Macht der Selbstgespräche hilft uns, anstehende Probleme gründlich durchzuarbeiten und am Ende eine für uns richtige Entscheidung zu treffen.

4.) Zwei- bis fünfjährige Kinder brauchen das Selbstgespräch, damit sie lernen, sich zu konzentrieren und zu fokussieren. Haben sie die Chance für Selbstgespräche, entwickeln sie sich häufig schneller als Altersgenossen, denen Eltern und Pädagogen den Dialog mit sich selbst untersagen.

 

Tipps zum Lesen

http://www.spektrum.de/alias/selbstgespraeche/schweigen-ist-silber-reden-ist-gold/1130042

Brinthaupt, T. M. et al.: The Self-Talk Scale: Development, Factor Analysis, and Validation. In: Journal for Personality Assessment 91, S. 82–92, 2009

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