Wunsch und Wirklichkeit

„Ich verstehe mich zurzeit einfach nicht mehr. Im Privaten kann ich immer noch leicht und locker plaudern. Stehe ich meinem Chef gegenüber, werde ich in letzter Zeit unsicher und weiß nicht, was ich sagen soll. Bei meinen Kolleginnen und Kollegen geht es mir ähnlich. Außerdem werde ich schnell ärgerlich. Und das besonders gerne in Situationen, wo es keinen Anlass dafür gab. Früher war das Gespräch nie ein Problem und aus der Haut gefahren bin ich fast nie. Woran liegt das? Ich verstehe mich nicht mehr.“

Mit dieser Problembeschreibung begann Frank H. das Coaching. Den gelernten Elektroingenieur irritierte, dass er sich jetzt anders verhält, als er es von sich gewohnt war. Typische Coaching-Fragen, wie zum Beispiel, welche Ziele er in den nächsten Jahren erreichen will, halfen dem 39-jährigen die Frage für sich zu beantworten. Er hatte seine Wünsche in sich vergraben und stattdessen darüber hinweg agiert – mit scheinbarer Unsicherheit und raschem Verärgertsein.

Frank H. erkannte in der Beratung, dass er schon seit Längerem nicht mehr zufrieden war mit seinem Job, und er andere Ideen für sein berufliches Weiterkommen hatte. Bislang hatte er sich nicht getraut, seinen Chef darauf anzusprechen. Dieser hatte ihn von Beginn seines beruflichen Daseins an sehr gefördert und dafür gesorgt, dass er als frischgebackener Fachhochschulabsolvent rasch gute und spannende Projekte in dem kleinen Fachbetrieb für Unterhaltungselektronik bekam. „Ich bin ihm sehr verpflichtet. Nur weiter komme ich in seinem Unternehmen nicht. Ich stehe auf der obersten Sprosse der Karriereleiter. Seine Tochter wird den Betrieb in einem oder zwei Jahren übernehmen. Wie sage ich es ihm, dass ich woanders meine Chancen suchen und für mich nutzen will. Schließlich verdanke ich ihm sehr viel. Nicht zuletzt viel Erfahrung, die ich in einem anderen Betrieb nicht so rasch erworben hätte.“

Das Problem, mit dem Klienten ins Coaching kommen und das sie als ihre Frag benennen, ist häufig nur das Symptom dieses Problems. Oft verbergen sich hinter dem Symptom andere Bedürfnisse und Wünsche, wie bei Frank H. Er hatte befürchtet, seine Unsicherheit und seine Unzufriedenheit hätten etwas mit Stress und zu hoher Belastung in seinem Beruf zu tun, die er zwar nicht empfand, sich jedoch einredete. Unter seinem unsicheren und leicht verärgerten Verhalten verbarg er seine Angst, einen von ihm geschätzten Menschen mit seinen Zukunftsplänen enttäuschen zu müssen.

Am Ende traute er sich, seinem Chef von seinen Plänen zu berichten. Zu seiner großen Überraschung und Freude bekam er dessen volle Unterstützung. „Er meinte, er habe sich schon häufiger gefragt, wann ich endlich den nächsten Schritt wagen wolle. Danach war ich wieder der Alte im Betrieb. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich wegen meiner mir nicht eingestandenen beruflichen Wünsche so anders verhalten würde.“

Checkliste

 

1.) In einem Coaching oder in einer Therapie kann sichtbar werden, dass sich hinter beruflichen Frustrationen und Unzufriedenheit oft Wünsche verbergen, die wir uns nicht trauen einzugestehen. Aus Angst, Menschen enttäuschen oder unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen. Holen wir uns Unterstützung, wenn wir uns unwohl mit uns und unserer Situation fühlen, dann kann dies helfen, verborgene Wünsche an die Oberfläche zu bringen und Klarheit zu schaffen. Oft ist dabei die Frage hilfreich, „angenommen, wir würden – wie Frank H. – für Klarheit sorgen, was könnte dann im schlimmsten Fall und was könnte im besten Fall passieren?

2.) Eine umfassende Analyse der Fragestellung, mit der Klient ins Coaching kommt und Fragen zu Werten und Zielen können dem Klienten relativ rasch dabei helfen, seine Antworten zu finden, daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen und die passenden Entscheidungen zu treffen.

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