No net hudle!

Nach seinem Geheimrezept für seinen Erfolg gefragt, würde der zweimalige Goldmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2012 Michael Jung vermutlich ganz Schwabe antworten: „no net hudle“, in etwa übersetzt in ‚eins nach dem anderen‘ (FAZ 2. August 2012, S. 27). Selbst unter den extremen Bedingungen eines Olympischen Turniers lebt der begnadete Vielseitigkeitsreiter sein Motto. Beharrlich, mit Geduld und großer Konzentration packt er Schritt für Schritt die vor ihm liegenden Aufgaben an: Erst nachdem er mit seiner Mannschaft Gold gewonnen hatte, wollte er von den Turnierverantwortlichen wissen, wann er zum Einzelwettbewerb in seiner Disziplin antreten muss (www.stern.de, 31. 7. 2012). Wenige Stunden später hielt er die zweite Goldmedaille in den Händen.

Rechtzeitig, also zur rechten, zur richtigen Zeit konzentriert und gründlich das Richtige zu tun, scheint im Zeitalter von Multitasking und Zeitsparen häufig nicht angesagt. Ins Email Postfach schießt gerade eine Email mit hoher Priorität, während der Kollege ins Zimmer tritt, um unsere Hilfe bei einem komplexen Vorgang zu erbitten, gleichzeitig das Telefon klingelt und die Sekretärin in der Tür steht mit dem nächsten Besprechungstermin. No net hudle klingt dann fast unmöglich. Wenn wir im Beruf komplexere Aufgaben zu bewältigen haben, empfiehlt es sich dennoch, dem schwäbischen Motto zu folgen. Denn wenn wir versuchen, viele Dinge gleichzeitig zu bearbeiten, kann es uns passieren, dass wir wichtige Informationen überhören und überlesen. Fehler und Zeitverlust sind dann oft die Folgen. Zudem setzen wir uns zumindest langfristig vermehrter Hektik und höherem Stress aus. Kurzfristig scheinen wir uns an die gleichzeitige Bearbeitung mehrere Dinge gewöhnen und damit umgehen zu können. Auch weil es uns stolz macht, den vielfältigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Erkennen wir nach einiger Zeit, dass wir zwar gerne multitasken, uns damit allerdings mehr schaden als nützen, dann heißt es für uns, umzulernen. Manchmal ist dies richtig mühselig und bedeutet zunächst einigen Aufwand für uns, weil wir uns regelrecht umgewöhnen müssen. Emails lesen wir immer dann, wenn wir sie sofort bearbeiten können, am besten an bestimmten von uns am Tag festgelegten Zeitpunkten. Dem um Hilfe bittenden Kollegen bieten wir an, zu einem passenderen Zeitpunkt wieder zu kommen, und für den Besprechungstermin nehmen wir uns zuvor ein paar Minuten Zeit, um ihn gut vorzubereiten.

Michael Jung hat sein nächstes Turnier nicht auf einem der ganz großen Plätze der Welt absolviert, sondern 14 Tage nach seinem grandiosen Olympiasieg im beschaulichen Altensteig mit 11 000 Einwohnern, 30 km von seiner Heimatstadt Horb entfernt, und mit zwei seiner Nachwuchspferde. Eins nach dem anderen… no net hudle!*

 

Checkliste

 

1.) Jeder Mensch ist anders. Deshalb gelingt dem einen gut, mehrere komplexe Aufgaben gleichzeitig im Beruf zu bewältigen, während dies für einen anderen zu viel Stress bedeutet und seine Konzentrationsfähigkeit darunter leidet. Für ihn gilt es, klare Prioritäten zu setzen und sich genügend Zeit und Raum für ein aufmerksames Arbeiten zu nehmen.

2.) Sind wir Berufsmultitasker, dann empfiehlt es sich für uns, in unserer Freizeit zu versuchen abzuschalten und uns dabei auf eine Tätigkeit zu konzentrieren, wie z. B. Lesen oder Ausdauersport.

Tipps zum Lesen

Schneider, Beate, Schubert, Martin, Die Multitaskingfalle und wie man sich daraus befreit, 2009, Orell Fuessli Verlag, ISBN: 9783280053225

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