Betriebsblind

„Bei uns läuft alles super. Unsere Kunden sind zufrieden. Es ist einfach gut so, wie es ist. Weshalb sollen wir hier etwas ändern?“ Wenn wir solche Sätze hören oder wenn wir seit Jahren in der gleichen Umgebung arbeiten, mit denselben Kollegen und immer ähnliche Aufgaben vor uns liegen, dann kann es spannend sein, uns einmal zu fragen, ob wir Gefahr laufen, betriebsblind zu werden oder es schon sind. Denn blind für den Betrieb sind wir vermutlich lange bevor wir uns diesen Zustand verdeutlichen oder uns ein Außenstehender, wie ein Coach oder ein Unternehmensberater darauf aufmerksam machen. Der Prozess beginnt schleichend. Über Jahre stabile Absatzzahlen lassen uns befriedigt zurücklehnen. Der Job ist nicht gerade traumhaft, garantiert dafür ein gutes Einkommen und einen sicheren Arbeitsplatz. Unsere gewohnte Arbeitsweise, unsere manchmal auch eintönige Routine fühlt sich gut und verlässlich an. Für uns gibt es keinen Grund, etwas zu verändern.

Betriebsblindheit schlägt Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen. Arbeiten sie gerne mit ihrem „Produkt“, gleichgültig, ob dies ein produzierter Gegenstand ist, eine Dienstleistung oder gar Menschen sind, dann kann es für sie sogar eine besonders große Herausforderung sein, sich ihre Arbeit aus einer anderen Perspektive anzusehen. Gerade engagierten Führungskräften und Mitarbeitern fällt es schwer, sich vorzustellen, dass der Zeitpunkt ihrer höchsten Zufriedenheit derjenige ist, an dem sie anfangen sollten, sich neue Anregungen und Inspirationen zu holen und zuzulassen.

Kaum ein Unternehmen, kaum eine Institution ist frei von Betriebsblindheit. Zumal routinemäßiges Arbeiten viele Abläufe in einem Unternehmen oder einer Institution vereinfacht und sie sich dadurch leichter strukturieren und organisieren lassen. Sind wir erst einmal betriebsblind, fehlt uns der geschärfte Blick auf unsere Kunden, von denen wir oft gar nicht mehr wissen, was sie wirklich möchten. Wir halten an Technologien und Medien fest, die überholt sind, und wir merken nicht, dass unsere Mitbewerber längst dabei sind, andere Ideen zu entwickeln und umzusetzen.

Damit uns die noch so schöne Routine nicht betriebsblind macht, hilft nur eines: uns selbst und unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer wieder dazu einzuladen, die Augen offen zu halten, Neues im beruflichen Alltag und im Privatleben auszuprobieren und Sätze wie, ‚das haben wir schon immer so gemacht‘ aus unserem Sprachschatz zu streichen. Ein kleines Experiment zeigt, wie rasch wir uns an Routine gewöhnen: Ein neues Foto als Bildschirmschoner ist innerhalb weniger Tage so vertraut, dass wir uns anstrengen müssen, uns das alte in Erinnerung zu rufen.

 

Checkliste

 

1.) Gerade wenn wir glauben, wir sind offen und aufgeschlossen für Neues oder wenn wir davon überzeugt sind, dass wir die Dinge richtig anpacken, die Mitarbeiter gut führen, zugewandt mit den Kollegen kommunizieren und die Wünsche der Kunden genau kennen, dann sind wir vermutlich auf dem besten Weg, betriebsblind zu werden oder wir sind es bereits.

 

2.) Gegen Betriebsblindheit hilft beispielsweise:

a.) Mit Menschen zu sprechen, die anderer Meinung sind (und möglicherweise sogar aus einem anderen Kulturkreis kommen) und ihnen ernsthaft zuzuhören.

b.) Die Kunden persönlich nach ihrer Meinung zu fragen und sich an ihren Wünschen zu orientieren und nicht am eigenen Dienstleistungs- oder Betriebsablauf.

c.) Die Konzepte von erfolgreichen Unternehmen zu studieren und zu fragen, welche Methode, welche Strategie, welche Marketing-Idee kann in unserer Firma, in unserer Institution funktionieren und weshalb.

d.) Eingetretene Pfade zu verlassen und dabei zu prüfen, was kann ich aus der Vergangenheit meines Unternehmens, meiner Institution lernen für die Zukunft. Tradition kann inspirierend sein, klammern am Alten senkt die Chancen auf Erfolg.

 

3.) Betriebsblindheit lässt sich aus einem Unternehmen, einer Institution heraus erkennen und „heilen“, wenn sich Führungskräfte und Mitarbeiter dieser Aufgabe bewusst stellen. Externe Berater mit der Aufgabe, die vorhandenen Strukturen und Abläufe aus einer anderen Perspektive zu sehen, können ebenfalls hilfreich sein. Oder ein Unternehmen, eine Institution nutzt auch immer wieder die Chance, freie Stellen mit externen Mitarbeitern zu besetzen, statt ausschließlich mit Kolleginnen und Kollegen aus der eigenen Firma.

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