„Aber er hat ja gar nichts an!

sagte endlich ein kleines Kind.“ … So heißt gegen Ende in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen (1805-1875). Mit viel Getue und großer Schau hatten zwei Betrüger dem modesüchtigen Kaiser, seinen Beratern und seinem Volk weisgemacht, sie könnten einen besonderen Stoff weben, den nur intelligente Menschen sehen können, dumme jedoch nicht. Nachdem sie viel Gold kassiert und keinen Millimeter Gewebe produziert hatten, ließen sie den Kaiser nackt auf dem großen Fest herumspazieren, davon ausgehend, dass keiner die Wahrheit spricht, weil alle gescheit, statt dumm sein wollten.

Welches Märchen Hans Christian Andersen heute wohl schreiben würde zum Thema Wahrheit? Zum Thema ehrlicher Kommunikation zwischen dem Kaiser, seinen Beratern und seinem Volk oder zwischen einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern, Kunden oder Nutzern seiner Produkte beispielsweise? Angesichts von Google, Facebook und Twitter? Mit Sicherheit würde es ihm gelingen, den Finger in die Wunde zu legen und uns mit seinen plastischen Bildern ziemlich rasch nahe zu bringen, dass Transparenz und Offenheit für uns alle sinnvoll sind. Auch und nicht zuletzt in Politik und Wirtschaft, wenn Politiker, Unternehmen, Firmen, Institutionen oder Verbände glaubwürdig bleiben oder werden wollen in ihrem Handeln und Tun.

In der Wirtschaft wird Unternehmenstransparenz nach innen und außen schon seit einigen Jahren viel diskutiert und als notwendig angesehen. Die Realität sieht oft anders aus. Vor allem in schwierigen Situationen und Krisen scheinen viele Unternehmen, Institutionen und Verbände Angst davor zu haben, ihren Mitarbeitern und ihren Kunden ehrlich zu sagen, wieso und weshalb sie bestimmte Dinge tun, welche Ziele sie haben und aufgrund welcher Basis sie sich für den einen oder anderen Weg entscheiden oder entschieden haben. Sie glauben vielmehr, mit viel Werbeglitter oder mit nur scheibchenweise kommunizierter Information von den Fragen der Mitarbeiter, Verbraucher und Kunden ablenken oder diese aussitzen zu können. In der Hoffnung, dass irgendwann das für sie unangenehme Thema aus den Köpfen der Menschen und den Medien verschwindet. Nur, das Elefantengedächtnis von Google und Co. vergisst nichts. Hat ein Unternehmen, eine Institution, ein Verband es erst einmal versäumt, sich offen einer internen und externen Diskussion zu stellen, dann kann es deshalb künftig noch schwerer werden, das Vertrauen der Mitarbeiter, der Kunden oder des eigenen Volkes wie im Märchen von Andersen wieder für das Unternehmen, für die Institution, für den Verband zu gewinnen. So wie in der Fabel des griechischen Dichters Aesop (um 600 v. Chr.) „Der Junge, der Wolf schrie“, deren Fazit kurz und knapp lautet: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht!“

 

Tipps zum Lesen

 

Aesop, Der Junge, der Wolf schrie, Fabel

Andersen, Hans Christian, Des Kaisers neue Kleider, Märchen

Wegmann, Jürgen, Dieter Zeibig, Dr. Hubertus Zilkens, Der ehrbare Kaufmann: Leistungsfaktor Vertrauen – Kostenfaktor Misstrauen, 2009, Bank Verlag Medien, ISBN: 9783865562333

Wieland, Josef, Handbuch Wertemanagement, 2004, Murmann Verlag, ISBN: 9783938017067

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