Meine Arroganz und ich
Nachdenklich sitzt mir meine Klientin Karin P. gegenüber. Die gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin arbeitet in der Unternehmensberatung und leitet ein Team von 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Ich verstehe es einfach nicht. Als einzelne Mitarbeiter sind sie alle nett und freundlich. Kommen wir aber nach einem Seminar oder bei unserer Weihnachtsfeier zu einem Bier zusammen, scheinen sich manche Mitarbeiter in andere Persönlichkeiten zu verwandeln. Sie amüsieren sich dann fast nur noch auf Kosten von Dritten.“ In der Coaching-Beratung will sie lernen zu begreifen, weshalb sich einige ihrer von ihr im Arbeitsalltag geschätzten Mitarbeiter beim gemeinsamen Feiern anfangen, sich abfällig über andere Menschen äußern, gleichgültig, ob sie diese kennen oder nicht und sich dabei gegenseitig „regelrecht aufstacheln mit immer neuen verächtlichen Bemerkungen. Ich habe den Eindruck, sie fühlen sich großartig, wenn sie sich über andere Menschen erheben. Sie drängeln sich immer wieder nach vorne und führen bei unseren Feiern das große Wort. Ich frage mich inzwischen, ob sie so auch abschätzig über unsere Kunden oder sogar ihre Vorgesetzte sprechen, wenn ich nicht in der Nähe bin.“
Im Laufe des Beratungsgesprächs fällt ihr auf, dass es vor allem die eher unsicheren und im Alltag weniger in sich ruhenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind, die sich in geselliger Runde hervortun mit abwertenden Bemerkungen über andere Menschen und dabei die Nähe der Kolleginnen und Kollegen suchen, die ähnlich strukturiert sind wie sie. Arroganz, so erkennt sie, ist eine Schutzmaske, „hinter der einige meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Unsicherheit verstecken, ihr offenbar mangelndes Selbstwertgefühlt, ihre Angst, in der Gruppe nicht akzeptiert zu werden“.
Menschen, die sich über andere überheben und negativ über andere urteilen, sind wahrscheinlich unglücklich und unzufrieden mit sich und ihrer persönlichen und beruflichen Situation. Wie wir andere Menschen wahrnehmen und mit ihnen umgehen, verrät viel über unsere eigene Persönlichkeit. Menschen, die ihre Umgebung vor allem negativ beurteilen, denken häufig auch über sich selbst überwiegend negativ. Sie suchen mit Hilfe ihrer Arroganz die Distanz zu ihrem Gegenüber. Wohl auch aus der Angst heraus, ihr mangelndes Selbstwertempfinden könnte von den anderen entdeckt und möglicherweise ausgenutzt werden.
Karin P. will jetzt versuchen, einige ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ein Coaching zu gewinnen. Ihr Ziel: Mehr Selbstbewusstsein bei ihren Teammitgliedern. Dann haben sie es auch nicht mehr nötig, sich auf Kosten anderer profilieren zu wollen.
Checkliste
Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.
1.) Mit Hilfe von Arroganz schaffen wir uns Distanz zu unserem Gegenüber mit dem Ziel, uns vor ihm zu schützen. Wir hoffen, dass wir mit dem Abwerten unseres Gegenübers erreichen, dass unser Gegenüber uns nicht angreift und unsere Schwächen und Unsicherheiten nicht erkennt. Wir glauben, dass wir dann verhindern, selbst gekränkt zu werden.
2.) Oft kaschieren wir mit unserer Arroganz auch unsere innere Einsamkeit, unseren Neid oder unser mangelndes Selbstbewusstsein. Erkennen wir erst einmal, dass wir anderen gegenüber arrogant und überheblich auftreten und haben wir dann den Wunsch, dies zu ändern, kann dies entweder mit Hilfe eines Coachings oder einer Therapie geschehen.
Tipps zum Lesen
Immer, wenn es für uns möglich ist, wählen wir für Sie aus der sehr umfangreichen Literatur zu Beruf und Karriere einige Bücher aus, die unsere ganz subjektiven Empfehlungen für Sie sind:
Krüll, Caroline, Schmidt-Egger, Selbstsicher – jetzt! So überzeugen Sie in jeder Situation, Gräfe und Unzer Verlag, 2009, ISBN: 9783833818264