Entmutigt im Job
Die Zukunft schien golden: Michael M. führte als Abteilungsleiter 15 Mitarbeiter in einem Dienstleistungsunternehmen. In Führungsgesprächen hatten ihm seine Vorgesetzten „zugesagt“, er könne die Karriereleiter künftig noch weiter nach oben klettern. „Dann wurde das Haus umstrukturiert und Abteilungen neu zusammengesetzt. Für mich hieß dies, meinen Traum von mehr Verantwortung aufzugeben und zurück in die zweite Reihe zu gehen. Statt Abteilungsleiter meiner Mitarbeiter bin ich jetzt wieder ein Kollege von ihnen“. Inzwischen hat er sich damit abgefunden. „Mein berufliches Engagement beschränkt sich jetzt nur noch auf das Alltagsgeschäft und ansonsten konzentriere ich mich auf mein Privatleben und meine sozialen Projekte.“ Es habe eine ganze Weile gedauert, sagt er, bis er die Zurückstufung überwunden und sich mit der neuen sprich mehr oder weniger alten Rolle abgefunden habe. Die ehemaligen Mitarbeiter und heutigen Kollegen hätten es ihm leicht gemacht, und seine Familie habe ihm Schritt für Schritt aus den quälenden Gefühlen des Versagens herausgeholfen.
Michael M. schätzt die Unterstützung, die er erfahren hat. Er weiß auch, dass es vielen Kollegen in seinem Unternehmen deutlich schlechter geht als ihm. Wie er mussten sie mehr als einmal erleben, wie ihre Firma umorganisiert wurde, das Management ständig wechselte und Kollegen ihre Arbeitsplätze verloren. Oder wie wenig Wertschätzung ihre Arbeit erfuhr: „Wir sind oft mit großem Enthusiasmus an als wichtig eingestufte Projekte herangegangen und dann verliefen sie immer wieder im Sande, weil sich am Ende keiner mehr dafür interessierte. Inzwischen haben wir aufgehört, irgendeine Initiative zu ergreifen und nehmen Veränderungen hin, ohne groß darauf zu reagieren. Wir haben uns praktisch alle in unsere privaten Bereiche zurückgezogen und machen nur noch Dienst nach Vorschrift“. Zum Nachteil des Unternehmens, das durch den unsensiblen Umgang mit seinen Angestellten eine Menge engagierter Mitarbeiter verloren oder desillusionierter zurückbekommen hat.
Permanente Entmutigung kann auch andere Reaktionen auslösen. Statt zu resignieren und sich ins Privatleben zurückzuziehen wie Michael M. und seine Kollegen, versuchen Menschen gerade in den Gebieten, in den sie gescheitert sind, doch noch erfolgreich zu sein und programmieren damit wiederholten Misserfolg. So als wollten sie sich mit ihren Versuchen immer wieder bestätigen, sie seien doch nur Versager. Etwa, wenn für sie jeder Vortrag, jede Präsentation und jedes Gespräch mit Kunden makellos und meisterhaft sein muss. Pannen und Fehler verzeihen sie sich kaum.
Auch Unternehmen können sich selbst entmutigen. Beispielsweise, in dem sie sich in Geschäftsfeldern engagieren, die entweder ihre Kapazitäten überfordern oder deren Zielsetzungen nicht zur übrigen Ausrichtung der Firma passen.
Ebenfalls desillusionierend kann Lob sein: Werden Leistungen als etwas Besonderes hervorgehoben werden, die selbstverständlich sind, dann empfinden dies Mitarbeiter und Kollegen häufig als wenig wertschätzend. Ein allgemeines und nichtsagendes ‚Sie sind gut‘ ermutigt sie ebenso wenig wie ein ‚können Sie denn gar nichts?‘.
Machen Unternehmen, Institutionen und Führungskräfte ihren Mitarbeitern dagegen Mut, Verantwortung zu übernehmen und akzeptieren sie, dass Projekte auch scheitern können, dann sind sie üblicherweise wettbewerbsfähiger als wenig risikobereite Firmen. Denn Fehler lassen sich schneller und besser aufspüren und abstellen, wenn Mitarbeiter ohne Furcht um ihren Job auf Ungereimtheiten und Probleme aufmerksam machen.
Ermutigt im Job, das wünscht Ihnen.
1.) Menschen, die wenig selbstbewusst sind oder zu hohe Erwartungen an sich haben, lassen sich oft rasch entmutigen und geben bei schwierigen Herausforderungen schnell auf.
2.) Machen Menschen als Kind jedes Mal die Erfahrung, dass sie Versager sind, wenn sie scheitern, dann werden die meisten von ihnen versuchen, Misserfolge zu vermeiden. Sie lernen früh, sich Niederlagen zu ersparen und auf Tauchstation zu gehen, wie z. B. im Unterricht in der Schule.
3.) Desillusionierte Menschen haben oft keine Energie mehr, sich gegen entmutigenden Umstände zu wehren. Sie resignieren. Auf zugewandte Beratung und Unterstützung reagieren sie vielfach gar nicht mehr. Es braucht lange und permanente Unterstützung, viel Kraft und viel Geduld, sie wieder zu ermutigen, und sie neue Perspektiven entwickeln zu lassen.
4.) Permanente Unterstützung von entmutigten bedeutet für Familie, Freunde und das Unternehmen, auch bei Rückschlägen nicht aufzugeben und dem Entmutigten dabei zu helfen, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln und Zufriedenheit und Erfolg in möglichst vielen Bereichen zu ermöglichen – beruflich wie privat.
5.) Hinter entmutigenden Aussagen steckt selten eine Absicht. Vielmehr schüchtern besonders Menschen, die selbst ängstlich sind und denen der Mut fehlt, bestimmte Projekte anzupacken und durchzuziehen, häufig andere ein oder sie versuchen es zumindest.
Tipps zum Lesen
Frick, Jürg: Die Kraft der Ermutigung, 2011 (2. Auflage), Hans Huber Verlag, ISBN: 9783456850221