Weshalb fällt es so schwer, einfach mal Nein zu sagen?

Vielleicht lässt sich ein zu schnell ausgesprochenes ‚Ja‘ ersetzen durch das Wort ‚Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz‘, das zu den längsten deutschen Wörtern zählt. Dann gäbe es häufiger als Antwort auf eine Frage ein ‚Nein‘ statt einem ‚Ja‘. Zum Beispiel zu noch mehr Arbeit oder zu noch mehr Überstunden. Oder zu dem ganz kurzen Blick auf eine Aktennotiz, der dann 20 Minuten dauert oder zu jener ganz einfachen Arbeit, die sich dann am Ende häuslich auf unserem Schreibtisch niederlässt. Müssten wir im Alltag statt dem kurzen ‚Ja‘ das ‚Ersatz-Ja‘, Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz’ denken und aussprächen, dann fiele uns eventuell rechtzeitig ein, dass es auch noch das kleine, bedeutsame Wörtchen ‚Nein‘ gibt.

Da stellt sich die Frage, weshalb uns ein ‚Nein‘ auf einen Wunsch von anderen oft so schwer fällt. Obwohl ‚Ja’ nichts anderes für uns heißt als zusätzliche Arbeit im ohnehin schon voll gepackten Arbeitsalltag.

Die Gründe für unser ‚Ja‘ sind vielfältig. Zum Beispiel befürchten wir, dass unsere Familie, unsere Kollegen und unsere Vorgesetzten uns als Person ablehnen, wenn wir ihren Bitten nicht oder nicht sofort entsprechen. Oder weil wir Angst haben vor den Konsequenzen eines Neins. Etwa, den Job zu verlieren oder beruflich aufs Abstellgleis zu geraten. Eine Angst, die leider zu oft auch berechtigt ist.

Natürlich schmeichelt es uns, wenn wir von Kollegen oder Vorgesetzten hören, wir seien die einzigen, die das schwierige Problem gut lösen könnten. Jeder genießt das Gefühl, gefragt zu sein und helfen zu können und als selbstloser Menschen dazustehen, der dafür sorgt, dass andere weiter kommen. Selbstverständlich tut es gut, andere zu unterstützen. Allerdings sollten wir uns selbst dabei nicht vergessen und uns hin und wieder etwas Gutes tun, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Ein anderer Beweggrund für ein ‚Ja‘ statt einem ‚Nein‘ ist, dass wir mittendrin sein möchten, dass wir dazu gehören wollen. Zum Beispiel im angesagten Projektteam, beim nächsten Betriebsausflug oder beim nächsten Fest, obwohl der Kalender schon übervoll mit Terminen ist und die Arbeiten kein Ende nehmen.

Die Ursachen für ein rasches Ja liegen meist in unserer Kindheit. Wir waren als Kinder dann ‚okay‘, wenn wir brav waren und den Wünschen der Erwachsenen entsprachen. Sie lobten uns oder beschenkten uns mit Dingen, die wir mochten. Als Erwachsene reagieren wir genauso. Wir freuen uns über die scheinbar ehrliche Anerkennung, fühlen uns wert geschätzt und merken nicht, dass vor allem unsere Gegenüber von unserem ‚Ja’ profitieren, weil sie weniger Arbeit haben oder Herausforderungen rascher lösen können. Wobei deutlich gesagt sei, dass anerkennende Worte im Normalfall auch so gemeint sind und das beschriebene Beispiel viel seltener vorkommt.

Weshalb ist es für uns wichtig, nicht jeder Bitte zu entsprechen, sondern auch mal Nein zu sagen? Und was brauchen wir, damit uns dies gelingt? Mit einem ständigen Ja bleiben wir konturenlos. Unser Gegenüber kann unsere Grenzen nicht wahrnehmen und überschreitet sie deshalb häufig. Meist ohne es zu wissen. Ein immer währendes Ja kann auch dazu führen, dass wir uns keine Zeit mehr für uns gönnen und am Ende der Burnout droht.

Nein zu sagen schaffen wir, wenn unser Selbstbewusstsein intakt ist. Ohne innere Stärke kann uns Nein – und die Reaktion der anderen darauf – so erschüttern, dass die Situation für uns schlimmer erscheint als mit einem Ja. Wenn uns Selbstbewusstsein fehlt und es uns schwer fällt, es uns zu erarbeiten, dann hilft uns möglicherweise ein kleiner Kunstgriff. Wir bitten darum, die Bitte der anderen kurz bedenken zu können, ehe wir etwas dazu sagen. Und dann stellen wir uns die Frage, angenommen, ich lehne die Bitte ab, was könnte im allerschlimmsten Fall passieren? Meist lautet die Antwort: „nichts“.

 

Checkliste

1.) Grundsätzlich helfen wir gerne und ohne großes Aufheben. Schwierig wird es dann, wenn wir immer nur anderen helfen und uns dabei vergessen.

2.) Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall. Nämlich, das jemand zu allem Nein und nie Ja sagt. Auch hier gibt es vielfältige Gründe, die gesondert zu betrachten sind.

3.) Ein ständiges Ja kann auch heißen, dass wir damit versuchen, Konflikten und Kritik aus dem Weg zu gehen.

4.) Wenn wir merken, dass wir zu viel Ja sagen, dann hilft vielleicht ein Blick zurück. Vermutlich sehen wir dann, dass uns Nein nur selten geschadet hat.

5.) Zu einem überzeugend klingenden Nein gehört eine selbstbewusste Körpersprache. Passen das Gesagte und unsere Körperhaltung nicht zusammen, dann kann ein gewiefter Gesprächspartner uns am Ende doch zu einem Ja überreden.

6.) Erläutern wir ein Nein langatmig, dann weiß unser Gegenüber, dass wir innerlich unsicher sind und versucht, uns zu einem Ja zu manipulieren.

Tipps zum Lesen

Radecki, Monika: Nein sagen, 3. Auflage 2015, Haufe-Lexware Verlag, ISBN: 9783648066997

Beiträge, die Sie auch interessierten könnten