Enttäuschte Erwartungen

„Die Bewerbungsgespräche liefen wunderbar. Nach zwei Jahren ziemlicher Langeweile im alten Beruf endlich der Traumjob, so schien mir. Doch schon nach dem dritten Arbeitstag wusste ich, hier kann ich nicht bleiben. Die Arbeit entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen.“ Kopfschüttelnd versucht Katharina Sch. im Beratungsgespräch zu erklären, weshalb sie bereits nach zwei Monaten ihren Traumjob in dem kaufmännischen Betrieb, in dem sie als gelernte Bürokauffrau unbedingt tätig sein wollte, aufgegeben hat. „Ich bin eigentlich ziemlich hartnäckig und kapituliere nicht so schnell. Im Gegenteil. Deshalb frage ich mich ständig, weshalb das alles so gründlich schief gelaufen ist. Ich befürchte, ich habe in den Bewerbungsgesprächen bestimmte Aussagen zu meinen künftigen Tätigkeiten und Rollen gänzlich anders interpretiert, als sie gemeint waren.“ Aussagen wie, sie solle den Chef bei Terminen vertreten können und die kaufmännische Abteilung im Laufe der Zeit neu organisieren, sind bei ihr angekommen, als könnte sie selbstverantwortlich in führender Position arbeiten. „Daran war jedoch gar nicht gedacht.“

Katharina Sch. hatte sich aufgrund der Beschreibungen ihrer Chefs sofort vorgestellt, wie ihr Arbeitsalltag aussehen wird. Statt genauer hinzuschauen und nachzufragen, hat sie sich geschmeichelt gefühlt: „Ich hätte von Anfang an ohne Probleme sehen können, dass es eine gute Arbeit ist, nur nicht die richtige für mich. Und als meine Vorstellungen auf die Realität trafen, war ich enttäuscht,“ so Katharina Sch..

Erwartungen gibt es ständig und überall: Züge und Flugzeuge sollen pünktlich sein, Freunde und Familie sollten an den Geburtstag denken und natürlich Kollegen und Mitarbeiter immer nett und engagiert sein. Treten die Ereignisse ein, wie wir sie erwarten, sind wir zufrieden. Bleiben sie aus, sind wir verstimmt und reagieren ungehalten mit, „die sind doch immer zu spät, unzuverlässig, desinteressiert…“. Wir fühlen uns betrogen und übersehen dabei, dass wir unsere Erwartungen zu hoch geschraubt haben und sie von niemandem und am wenigsten von uns selbst zu erfüllen sind. Manchmal reagieren wir auch frustriert – und Katharina Sch. zählt sich dazu-, weil wir die Realität anders wahrgenommen haben, als sie ist und deshalb Dinge erwartet haben, die so nicht eintreffen konnten. Kommt dann wie bei ihr noch die Freude dazu, nach längerer Suche endlich den vermeintlichen Traumjob gefunden zu haben, dann kann es passieren, dass wir das vor uns Liegende übersehen und stattdessen lieber der Illusion Platz geben. Schließlich haben wir bestimmte Erfahrungen gesammelt, und weshalb sollte jetzt alles anders sein als bislang, bilanziert auch Katharina Sch.: „in meinen bisherigen Jobs haben immer die Stellvertreter der Chefs dessen Termine übernommen. Hätte ich nachgefragt, dann hätte ich rasch gewusst, dass es einfache organisatorische Termine sind und keine, bei denen es um wichtige Entscheidungen geht.“

Heute ist ihr klar: „Meine enttäuschten Hoffnungen haben auch etwas Gutes: Ich weiß, dass mein ehemaliger Traum, im Management eines Unternehmens tätig zu sein, einer schöner ist, nur nicht für mich. Statt zu glauben, ich sei eine Führungskraft, die Menschen eine bestmögliche berufliche Situation ermöglicht, bin ich eine gute und solide Bürokauffrau, die ihr Metier beherrscht und abends ruhig nach Hause geht. Der Job ist dann erledigt – und aus meiner Sicht zufriedenstellend.“

Wie sagt doch ‚Hamlet‘ im 2. Akt der gleichnamigen Tragödie von William Shakespeare? ‚Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.‘

 

Checkliste

1.) Wir erwarten von anderen bestimmte Reaktionen auf bestimmte Situationen. Wir vermuten, dass aufgrund unserer Erfahrungen aus der Vergangenheit die künftigen Situationen auch so sein werden, wie wir sie kennen. Und sind dann überrascht oder unzufrieden, wenn die Dinge anders kommen oder anders gesehen werden, als wir es tun.

2.) Manchmal übertünchen unsere Erwartungen die Realität. Wir erwarten, dass im nächsten Job alles besser wird und kündigen deshalb den alten. Dabei entgeht uns, dass es auch im neuen Job genauso viele ‚Schwarzbrotarbeiten‘ geben wird und muss, wie im alten.

3.) Wir schrauben unsere Glauben an andere oft sehr hoch und merken dabei gar nicht, dass nicht nur wir ernüchtert sind, wenn die anderen unsere Vorstellungen nicht erfüllen, sondern dass wir auch die anderen enttäuschen mit unserem Verhalten, Denken und Tun.

4.) Damit die Enttäuschungen über einen neuen Job, ein künftiges Studium oder Ausbildungsplatz sich möglichst im Rahmen halten, lohnt es sich, vorab zu fragen, was ist mir wichtig in meinem künftigen Beruf? Kontakt mit anderen, Sicherheit meines Arbeitsplatzes, die Chance auf Teilzeit, Teamarbeit oder eher Individualität, Aufstiegschancen oder ein sicheres Einkommen?

5.) Hilfreich bei einer beruflichen Entscheidung ist eine ein- oder zweitägige Hospitation. Lässt sich diese nicht realisieren, dann sollte mit nüchternem Blick der künftige Arbeitsplatz und die künftige Arbeitsumgebung betrachtet und analysiert werden. Unaufgeräumte Werkzeugkästen und Kaffeeküchen belegen so manches und berichten manchmal mehr als bunte Broschüren und zugewandt klingende Internetseiten.

6.) Die Probezeit dient dazu, die Wünsche beider Seiten zu überprüfen und zu sehen, ob sie weitgehend eintreten, ob sie angepasst werden können oder ob es zu einer Trennung kommen sollte. Seitens des Stelleninhabers ebenso wie seitens des Unternehmens.

Tipps zum Lesen

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/spass-bei-der-arbeit-falsche-erwartungen-an-den-job-a-1007288.html

http://www.tomoff.de/enttaeuschte-erwartungen/

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