Zynismus
Mischen Sie Engagement, Lust am Arbeiten, Wut, Enttäuschung, Resignation, Scham und Trotz zusammen und Sie bekommen vermutlich einen Gefühlscocktail, der es in sich hat: die meisten Mixturen, die daraus entstehen, heißen Selbst-Verachtung und Zynismus: Da haben Sie sich viel Mühe gegeben mit der Ausführung der von Ihrem Vorgesetzten gestellten Aufgabe, haben engagiert die Herausforderung angepackt und rechnen jetzt fest mit einem Lob. Stattdessen sitzen sie da, die Kollegen und Vorgesetzten, und wissen es nicht besser, als Ihre profunde Arbeit mit abschätzigen Worten und Gesten zu zerreißen. Erleben Sie dies immer wieder, dann trösten Sie sich vermutlich ein-, zwei- oder viel-mals mit Sätzen wie, ‚ich habe mein Bestes gegeben, ich habe keinen Grund, mich für meine Arbeit zu schämen‘. Um dann irgendwann zu resignieren und zynisch zu reagieren, wenn neue Aufgaben an Sie herangetragen werden, deren Ausführungen wieder zu ähnlichen Erwiderungen der anderen führen. Oder Sie bekommen für Ihr Engagement noch mehr Arbeit aufgebrummt ohne dass sich jemand bemüßigt fühlt, kurz inne zu halten und Ihnen für die Arbeit zu danken oder Sie dafür zu loben.
Hinter Selbst-Verachtung und Zynismus verstecken sich häufig besonders engagierte, ihren Job liebende, „empfindsame und einfühlsame Menschen“, so die Psychotherapeutin Helen Heinemann, Leiterin des Instituts für Burn-out-Prävention in Hamburg (Die Zeit 17/2011), weil sie sich nur so gegen mangelnde Wertschätzung der anderen zu wehren wissen. Sie nutzen ihren Zynismus „als eine Form von Selbstschutz“ vor ihren eigenen Gefühlen, in dem sie sich-selbst-abwertend auf alles reagieren, was sie erleben, selbst auf ihnen zugewandten Menschen. Sie verhärten innerlich immer mehr und sorgen so dafür, dass sie ihre Gefühle nicht mehr wahrnehmen und sich nicht mehr spüren müssen. Sie machen Witze über ihre Arbeit oder begleiten Aussagen dazu mit zynischen Worten wie ‚aber gerne und gerne immer noch mehr davon, ich kann nicht genug davon kriegen’.
Manchmal erkennen im Job zynische Menschen, wie sehr sie sich inzwischen innerlich von dem von ihnen geschätzten und für sie früher stimmigen Beruf distanziert haben. Sie suchen an einem neuen Arbeitsplatz mehr Wertschätzung und lernen zudem, oft mit Hilfe von Beratern wie Therapeuten oder Coaches, sich weniger vom Lob der anderen abhängig zu machen, als bislang.
Checkliste
1.) Der Begriff Zynismus hat im Laufe der Zeit seine Bedeutung verändert (siehe Wikipedia).
2.) Zynismus im Beruf wird oft „zu einem Werkzeug, das dazu diene, die eigenen Gefühle abzuschirmen“, meint Helen Heinemann. Vor allem die der Enttäuschung, viel in den mit Leidenschaft ausgeübten Beruf investiert zu haben, und dafür kaum mehr als Gleichgültigkeit zurück zu bekommen.
3.) Die Antwort auf viel Stress und wenig Wertschätzung im Beruf werden je nach beruflicher und persönlicher Situation unterschiedlich ausfallen. So z. B. zu lernen, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten Wert zu schätzen und weniger, sich danach zu sehnen, von anderen gelobt zu werden.
Tipps zum Lesen
„Am Ende nur noch zynisch“, Die Zeit N° 17 / 2011