Mobbing – ein Zwischenruf
Wie ist es in der Hölle: Beißender Schwefeldampf, heiße, lodernde Flammen, schrecklich grinsende, abscheuliche Gestalten? Für ca. eine Million Arbeitnehmer in Deutschland sieht ihre Hölle viel nüchterner aus und besteht meist aus Schreibtisch, PC, Telefon, Verkaufsflächen oder Werkbank. Denn laut einer repräsentativen Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2011), der sogenannten Mobbing-Studie werden ca. 11% der 37 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland am eigenen Arbeitsplatz gedemütigt, verleumdet, gehässig behandelt, ausgegrenzt, diskriminiert und erleben dort ihre tägliche eigene Hölle.
Gesamtwirtschaftlich betrachtet beläuft sich der jährliche Schaden, der durch das Schikanieren von Mitarbeitern und Kollegen entsteht, auf 15 bis 25 Milliarden Euro und entspricht damit in etwa dem Bundeshaushalt für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
Mobbing, das sind nicht die kleinen Reibereien, Meinungsverschiedenheiten, Diskussionen und Kritiken und der oft lästige übliche Büroklatsch im Betrieb. Mobbing heißt, einen Kollegen, eine Mitarbeiterin systematisch und über längere Zeit hinweg fertig zu machen. Unterlagen verschwinden vom Schreibtisch, wichtige Daten sind plötzlich gelöscht, Gerüchte werden gestreut, Gespräche hören auf, wenn die Gemobbten den Raum betreten oder sie bekommen bewusst bestimmte Informationen vorenthalten, die für ihre Arbeit wichtig wären. Der Phantasie und der Möglichkeiten sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Wie kommt es zum Mobbing und wer sind die Opfer und wer die Täter? Vereinfacht gesagt gibt es die typischen Gemobbten nicht. Bemerkenswert ist allerdings, dass in bestimmten Berufen häufiger gemobbt wird als in anderen, etwa in sozialen Berufen, im Verkauf und in Banken und Versicherungen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Sie scheinen u. a. mit Respekt gegenüber der eigenen Arbeit und gegenüber der der anderen zu tun zu haben. Viele Mobber versuchen, mit Schikanen von ihren eigenen Fehlern abzulenken, Konkurrenz gar nicht erst ‚hoch‘ kommen zu lassen oder ihren Neid ins Mobbing zu kanalisieren.
Schärfer, so die Studie, lassen sich die Profile der Täter und Täterinnen umreissen. Überdurchschnittlich häufig mobben männliche Vorgesetzte (38%), dann folgen Vorgesetzte und Kollegen gemeinsam (12,8%), während Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen ihre Vorgesetzten seltener zu mobben scheinen (2,3%). Die meisten Mobber und Mobberinnen sind zwischen 35 bis 54 Jahre alt und oft schon längerfristig im Betrieb.
Was also ist zu tun? Nicht jeder Gemobbte merkt von Anfang an, dass er drangsaliert wird oder will es nicht wahrhaben. Kollegen und Kolleginnen, Personal- und Betriebsräte sollten deshalb nicht wegschauen, sondern möglichst früh eingreifen und sei es ‚nur’ mit der Adresse eines kompetenten Beraters oder einer professionellen Institution.
Schließlich kann Mobbing jeden treffen. Denn, so der französische Philosoph und Schriftsteller Jean Paul Sartre (1905-1980), „Die Hölle, das sind die anderen.“
Checkliste
1.) Mobbing kann krank machen und die Existenz eines Menschen zerstören, wenn durch die subtilen oder massiven täglichen Angriffe allmählich das Selbstbewusstsein verloren geht, die Arbeit nur noch unzulänglich erledigt wird und dadurch am Ende der Arbeitsplatz verloren geht.
2.) Mobbing kann auch die Substanz eines Unternehmens aushöhlen und immense Kosten verursachen.
3.) Haben Unternehmen ein gutes Arbeits- und Betriebsklima, eine transparente Fehlerkultur und ist die Personalentwicklung wichtiger Teil der Unternehmenskultur, dann ist es für Mobber schwierig zu mobben. Umgekehrt sind eine schlechte Arbeitsorganisation, wenig Mitmenschlichkeit im Unternehmen, mangelnde Transparenz bei innerbetrieblichen Vorgängen und ein Wischi-Waschi-Führungsstil die besten Zutaten für ein gelingendes Mobbing.
4.) Wichtige Präventionsmaßnahmen eines Unternehmens gegen Mobbing sind u. a. ein respektvoller Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern und ein gut funktionierendes und sanktionsfreies Beschwerdemanagement.
Tipps zum Lesen
„Wenn aus Kollegen Feinde werden. Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing“. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund, 2011