Bossing
„Ich konnte einfach nicht mehr. Manchmal frage ich mir allerdings, ob ich anders hätte reagieren können.“ Eigentlich hätte Charlotte K. gerne ihren gut bezahlten und interessanten Job in der Verwaltung eines Medizingeräteherstellers behalten. Doch die ständigen Schikanen ihres Chefs, der sie vor den Kolleginnen und Kollegen demütigte und ihr Aufgaben gab, die sie in der von ihm vorgegebenen Zeit nicht einmal ansatzweise schaffen konnte, haben sie mürbe gemacht. „Ich weiß nicht, weshalb er mich so systematisch versucht hat fertig zu machen mit seinen Sticheleien, mit seinem mich wie Luft behandeln und mit seiner Art, mir wichtige Informationen vorzuenthalten, um mir dann vor dem ganzen Team genau mein Nichtwissen vorzuwerfen.“
Bossing ist eine besonders dramatische Form des Mobbings. Denn es sind die Vorgesetzten, die ihre Mitarbeiter drangsalieren und damit ihnen gegenüber ihre Führungsposition ausnutzen. Zu Bossing neigen Menschen, die sie sich unsicher und unfähig fühlen und wenig selbstbewusst sind. Sie verstecken sich hinter der Fassade des kühlen, unnahbaren Vorgesetzten und vermuten hinter jeder offenen Frage einen persönlichen Angriff und hinter jedem Vorschlag Kritik an ihren Führungsqualitäten und werden aggressiv. Sie suchen sich dafür gerne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die entweder selbst wenig Vertrauen in ihr Können haben oder für die ihre Arbeit ein elementarer Lebensinhalt ist.
Für Charlotte K. war es in der Beratung besonders wichtig, für sich herauszuarbeiten, was sie tun könnte, wenn sie in einer neuen Arbeitsstelle wieder an Vorgesetzte gerät, die versuchen, sie zu mobben. „Ich hoffe, ich erkenne dann früher, dass ein Chef, eine Chefin versucht mich einzuschüchtern.“ Nicht noch einmal will sie sich so lange so respektlos behandeln lassen, wie in ihrem letzten Job. Und nicht noch einmal will sie so viele Rachegedanken mit sich herumtragen. Stattdessen wird sie so rasch wie möglich ein klärendes Gespräch mit ihren Vorgesetzten suchen. Führt ihr Klärungsversuch zu keinem Erfolg, „dann gehe ich z. B. zu einer höher angesiedelten Führungskraft oder zu einen Betriebs- oder Personalrat. Schließlich habe ich hart und lange genug an meinem Selbstwertgefühlt gearbeitet, dass ich mich traue, das zu tun. Ich signalisiere damit meinem Vorgesetzten, meiner Vorgesetzten ‚Dein Bossing erreicht mich nicht‘.“
Checkliste
1.) Bossing hat vielfältige Ursachen. Beispielsweise versucht ein neuer Chef, eine neue Chefin, alles zu verändern, was vorher gut und sinnvoll war, weil er oder sie glauben, dadurch ihre Fähigkeiten als Führungskraft unter Beweis zu stellen. Bislang geschätzte Mitarbeiter werden abgelehnt, andere dagegen in den Favoritenkreis aufgenommen.
2.) Kritik gibt es in allen Unternehmen, mal offen vorgetragen, mal eher hinter verschlossenen Türen. Dabei wird der ‚Boss‘ ebenso kritisiert, wie Mitarbeiter. Konstruktive Kritik gehört zum Alltag dazu. Ist die Kritik jedoch vernichtend und zielt darauf ab, die ganze Person in Frage zu stellen, dann gilt es, sich dagegen zu wehren. Je nach der eigenen, persönlichen Situation und der Arbeitsbedingungen mit „Stop-Sagen“, kündigen oder mit Gleichgültigkeit.
3.) Führungskräfte, an die hohe Anforderungen gestellt werden, neigen dann zum Bossing, wenn sie sich überfordert und wenig wertgeschätzt fühlen, innerlich unsicher sind und heimlich an sich selbst und ihrer Führungsrolle zweifeln.
4.) Respektloses Verhalten von Vorgesetzten, gegen das sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur schwer zur Wehr setzen können, wenn sie ihre Arbeit nicht verlieren möchten, führt vielfach dazu, dass sie krank werden, nur noch ‚Dienst nach Vorschrift‘ machen oder wenn es machbar ist, noch weniger arbeiten und sich nicht mehr dem eigenen Unternehmen verpflichtet fühlen. Ein fatales Ergebnis für eine Firma, die auf engagierte Mitarbeiter angewiesen ist.
Tipps zum Lesen
Fuchs, Jürgen: Das Märchenbuch für Manager: Gute-Nacht-Geschichten für Leitende und Leidende, 2007, Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN: 9783423344173