Stille Stunde
Schalten Sie zwischendrin Ihren Computer, Ihr Telefon oder Ihr Handy aus? Machen Sie das manchmal im beruflichen Alltag? Versuchen Sie dann, die Stille um sich herum wahrnehmen? Und schieben dazu Ihre Angst auf die Seite, es könne nachteilig für Sie sein, wenn Sie für ein paar Momente nicht erreichbar sind? Ich probiere es immer mal wieder und wenn es mir gelingt, dann genieße ich die Ruhe und das stille Einlassen auf das, was ich gerade tun möchte oder muss. Manchmal bleibe ich auch nur ein paar Momente ruhig sitzen oder stehen, ohne aktiv zu sein. Und manchmal „schalte ich mich bewusst ab“. Ich höre dann auf zu „denken“ und die gerade anstehenden Herausforderungen hin und her zu wälzen. Dafür nutze ich z. B. Situationen wie das Warten auf einen Klienten, der sich verspätet, das gemächliche Vorrücken in der Schlange vor der Supermarktkasse oder das Warten auf den Zug und lasse das Handy ausgeschaltet. Stattdessen versuche ich meine Umgebung einfach wahrzunehmen, ohne diese gleich wieder zu bewerten.
Seitdem wir durch Emails, SMS und Telefon ständig erreichbar sind, scheint es für viele von uns schwieriger zu sein, uns zu konzentrieren und an einer Sache „dran“ zu bleiben. Wir haben zu viel auf dem „Schirm“ und lassen zu selten die Gedanken schweifen – im Beruf wie im Privatleben. Wir lassen uns ständig unterbrechen oder unterbrechen uns selbst. Z. B., indem wir im Internet eben mal „kurz“ lesen, was gerade draußen in der Welt geschieht. Mit dem Ergebnis, dass wir am Ende eines Arbeitstages das nagende Gefühl haben, dass wir die wesentlichen Aufgaben wieder einmal aufgeschoben haben, statt sie in Ruhe und umsichtig zu erledigen. Wir fühlen uns erschöpft, unzufrieden und manchmal regelrecht ausgelaugt.
Wissenschaftler, wie Professor Cornelius König, Organisations- und Arbeitspsychologe der Universität Saarbrücken, empfehlen uns deshalb, uns regelmäßig eine „Stille Stunde“ im Arbeitsalltag zu schenken – ohne Emails und Telefonate. Mit dem Ziel, ab und an Zeit für konzentriertes Arbeiten zu haben. Planen wir unsere „Stille Stunden“ regelmäßig in unseren Berufsalltag ein und setzen sie trotz vielfacher Verlockungen und scheinbar unaufschiebbarer beruflicher Aktivitäten bei uns durch, dann sind „Stille Stunden“ für uns besonders effektiv.
Allerdings ist nicht in jedem Beruf eine „Stille Stunde“ möglich. Etwa, weil unsere Vorgesetzten sie nicht tolerieren oder weil unser Beruf zwingend unsere ständige Erreichbarkeit fordert. Dann kann ein kurzer Spaziergang in der Mittagspause – vielleicht sogar in einem nahegelegenen Park, ein paar Momente der Entspannung am Abend und das Abschalten des Firmenhandys für eine gewisse Zeit an unseren freien Tagen die „Stille Stunde“ für uns sein.
Checkliste
1.) Eine „Stille Stunde“ kann einmal täglich sein und je nach beruflicher Herausforderung tatsächlich 60 Minuten dauern, ein paar Momente im Alltag bedeuten oder einmal in der Woche eine längere Auszeit heißen.
2.) Unter „Stiller Stunde“ wird nicht die absolute Isolation und völlige Geräuschlosigkeit verstanden, sondern leise Situationen und ablenkungsarme Momente, die je nach Umgebung und beruflicher Herausforderung unterschiedlich ausfallen. Das abgeschaltete Telefon im Büro, ein kurzzeitiges Unterbrechen der Emaileingänge, Naturgeräusche im Park, das gedämpfte Gemurmel von Gesprächen, die Stille eines wenig besuchten Museums oder eines Kirchenraumes und das Vermeiden des ständigen Geklingels der Mobiltelefone im ICE-Ruhewagen können uns Augenblicke der Stille ermöglichen.
3.) Klienten berichten, dass sie mehrere Anläufe gebraucht haben, bis die „Stille Stunde“ selbstverständlicher Teil ihres beruflichen Alltags war.
4.) Manchmal kann konzentriertes Arbeiten für uns problematisch sein. Indem wir uns mit Email, SMS und Telefon ablenken, vermeiden wir, über uns nachzudenken und uns möglicherweise sogar bohrende Fragen zu stellen.
Tipps zum Lesen
Interview mit Professor Cornelius König, FAZ.NET, Beruf und Chance, 15. 3. 2013. Unter: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/psychologieprofessor-cornelius-koenig-eine-stunde-ohne-telefon-und-e-mail-wirkt-wunder-12114400.html. Oder Artikel unter: https://www.psychologie-heute.de/news/gesundheit-psyche/detailansicht/news/stille_stunde_im_buero/