Der Vielarmige
Während wir mit einem Kunden telefonieren, poppt auf dem Bildschirm eine neue Email auf, der Kollege steckt den Kopf durch die Tür und will unsere Aufmerksamkeit, und das Smartphone piepst sich mit der nächsten Nachricht in unser Bewusstsein. Jede der neuen Anfragen und Aufgaben möchten wir dann möglichst rasch erledigen und versuchen deshalb, sie alle auf einmal zu tun. Wir machen „Multitasking“ und hoffen dabei auf einen gewünschten und raschen Erfolg.
Multitasking gelingt uns dann gut, wenn wir einfache, routinemäßig auszuführende Aufgaben machen wie zum Beispiel Prospekte auf bereitstehende Konferenztische zu verteilen und dabei mit dem Handy zu telefonieren. Sobald wir mehrere komplexe Aufgaben gleichzeitig anpacken, auf die wir uns alle voll konzentrieren müssen, erleben wir uns anders. Wir können zwar von einem Thema zum anderen springen und mit einem Multitasking Anrufe, Mails und strategische Planungen zeitgleich vom Tisch bringen. Die Ergebnisse, die wir dabei erzielen, sind allerdings vermutlich eher mäßig.
Der Grund hierfür sind unsere grauen Gehirnzellen. Unser Gehirn kann in einem begrenzten Umfang lernen, sich schneller mit neuen Fragestellungen zu befassen. Außer bei „Supermultitaskern“ ist unsere Gehirnsubstanz allerdings nicht wirklich fähig, eine Fülle an vielschichtigen Herausforderungen auf einmal zufriedenstellend zu bewältigen. Gehirnforscher wie der französischen Neurobiologen Etienne Koechlin von der École des Neuroscience, Paris konnten zeigen, dass unser Gehirn maximal zwei komplexere Aufgaben parallel meistert. Fordern wir von unserem Gehirn, dass es seine Aufmerksamkeit auf mehr Herausforderungen verteilt, springt es von einem ihm aufgetragenen Job zum anderen hin und her und gerät dadurch im Laufe der Zeit immer mehr unter Stress. Wir können uns immer weniger konzentrieren und brauchen immer länger, um unser tägliches Arbeitspensum zu schaffen.
Abhilfe bringt nur eines, unser Druck auf die Stopp-Taste. Statt uns vielarmig durch unseren beruflichen Alltag zu bewegen, laden wir uns selbst dazu ein, nach einer von uns festgelegten Prioritätenliste unsere Aufgaben Schritt für Schritt und nacheinander abzuarbeiten. Vermutlich erfahren wir dabei zu unserer Verblüffung, dass wir mindestens genauso schnell, jedoch weitgehend ohne Stress unser Tagespensum schaffen. Und so manche Mail und SMS hat sich im Laufe des Tages von selbst erledigt.
Checkliste
1.) Haben wir bisher vielarmig im Beruf gewirbelt, kann es eine Herausforderung für uns sein, uns zuerst auf die wichtigsten Aufgaben zu konzentrieren und danach die nachgeordneten Tätigkeiten anzupacken. Eventuell gelingt dies erst nach einem gewissen Training.
2.) Manchmal benutzen wir die vielfältigen und gleichzeitig durchgeführten Tätigkeiten auch dazu, um uns vor einer uns lästigen Arbeit zu drücken und ihr aus dem Weg zu gehen. Nach dem Motto, „ich hatte ja noch gar keine Zeit dafür“. Hier hilft uns nur eines, ehrlich zu uns zu sein und zu versuchen, unsere Lustlosigkeit (und damit unseren inneren Schweinehund) zu überwinden.
3.) In manchen Berufen scheint Multitasking nicht mehr wegzudenken sein. Damit das Gehirn zwischendrin Zeit hat, sich von dem ständigen Hin- und Herspringen zu erholen, empfiehlt es sich, sich in der Mittagspause ein paar stille Minuten zu gönnen und zumindest in der Freizeit möglichst wenig Multitasking zu machen.
Tipps zum Lesen
Seiwert, Lothar: Lass los und Du bist Meister Deiner Zeit, 2013, Gräfe und Unzer Verlag, ISBN: 9783833833908