Selber denken!
„Selber denken! 7 Wochen ohne falsche Gewissheiten“: Mit diesem Satz lädt die Evangelische Kirche Deutschland dieses Jahr zu ihrer alljährlichen Fastenaktion ein, die am 5. März 2014 beginnt. Als ich diesen Satz las, war ich erst einmal verblüfft. Weshalb soll ich mich sieben Wochen lang mit meinem „Selber denken!“ auseinandersetzen? Im Beruf wie im Privatleben? Selber denken, das tue ich doch jeden Tag und das nunmehr seit ziemlich geraumer Zeit meines Lebens. Weshalb brauche ich dazu eine besondere Zeit im Jahr? Und dann auch noch fast zwei Monate lang?
Nur – denke ich immer selbst? Oder wie oft kann ich mich dabei ertappen, wenn ich bei mir genauer hinschaue, dass ich mal wieder den anderen hinterher plappere, statt selber zu denken und mich zu trauen zu sagen, was mir durch den Kopf geht? Wie oft denke ich lieber nicht, weil Denken für mich heißen würde, Gewohnheiten in Frage zu stellen, meine eigenen und die meiner Umgebung?
Selber denken hieße häufiger auch mal, mutig zu sein. Den Mut zu haben, meine Komfortzone zu verlassen und mich „dem da draußen“ zu stellen. Meiner Neigung z. B., bestimmte Dinge als bewiesen vorauszusetzen und sie ungefragt als richtig anzunehmen, statt meine gedankliche Trägheit zu hinterfragen und einmal genauer hinzusehen. Der Herausforderung, selbst in meiner Gemeinde, in meinem Betrieb aktiv zu werden, statt mich gemütlich im Zuschauerraum zu fläzen und die anderen das Theaterstück des Lebens aufführen zu lassen. Oder den Mut zu haben, mich dem Missmut meiner Kolleginnen und Kollegen oder meines Chefs auszusetzen, wenn ich sie auf Fehler hinweise. Und umgekehrt, auszuhalten und zu akzeptieren, dass sie meine Eigenarten kritisieren und mir meine Denkgrenzen aufzeigen.
Selber denken hieße, mir meine eigene Meinung zu bilden und mit meinem Blick auf die Menschen und die Dinge zu schauen. Ist die Kollegin wirklich so, wie wir hinter ihrem Rücken über sie reden? Hat der Kollege tatsächlich so viele Ungereimtheiten in dem Projekt fabriziert, wie unser Chef beanstandet oder lenkt dieser mit seiner Kritik von seinen eigenen Unzulänglichkeiten ab? Und was mache ich, wenn ich „die Dinge nicht so“ hinnehmen will, „wie sie einem vorgesetzt werden“ (Pressemitteilung Evangelische Kirche Deutschland)? Wage ich zu sagen, was ich selber denke?
Für den Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) ist „Selber denken!“ notwendige Voraussetzung für das Philosophieren, für das Deuten und Verstehen der Welt und unserer eigenen menschlichen Existenz. Selber denken, darunter versteht er auch, dass wir uns jederzeit in jeden anderen denken, dass wir jederzeit Aufgaben und Probleme auch aus einer anderen Perspektive und nicht nur aus unserer eigenen betrachten.
Mit „Selber denken!“ haben wir demnach beste Voraussetzungen als Führungskraft erfolgreich und zufriedenstellend tätig zu sein.
Checkliste
1.) Wie oft sagen wir, ‚so haben wir das schon immer gemacht‘. Oder ‚das ist wissenschaftlich erwiesen‘. Wir meinen, es sei wahr. Dabei haben wir viele von unseren Überzeugungen ungefragt und unhinterfragt übernommen.
2.) „Selber denken! 7 Wochen ohne falsche Gewissheiten“ lädt uns vor allem dazu ein, uns selbst zu hinterfragen. Statt davon auszugehen, dass wir wissen, worum es geht und wie die Dinge sind, haben wir von Aschermittwoch bis Ostern die Chance, unseren Kopf einzuschalten und unsere Denkmuster zu überprüfen. Vermutlich werden wir dabei die eine oder andere Überraschung an uns selbst erleben.
3.) Zum „Selber denken!“ gehört auch, uns anderslautende Meinungen und Überzeugungen anzuhören und uns damit zu beschäftigen, statt sie von vorneherein als Unsinn abzutun, auch wenn wir uns nur äußerst ungern mit Gewissheiten, die nicht die unsrigen sind, befassen.
Tipps zum Lesen
www.7wochenohne.evangelisch.de, www.ekd.de.