Ausdauer
Sie waren in ihrer bunten Sportbekleidung nicht zu übersehen. Mit einem zufrieden-erschöpften Lächeln und der etwas klobig wirkenden Medaille um den Hals kamen sie uns überall im Zentrum Berlins entgegen. 42,5 Kilometer Marathonstrecke lagen hinter ihnen. Training und Ausdauer hatten sie augenscheinlich ins ersehnte Ziel geführt. „Die vielen Musikbands mit ihrer rhythmisch-fetzigen Musik und die anfeuernden Rufe der Zuschauer haben uns am Ende regelrecht über die Ziellinie getragen“, erzählte ein 66jähriger Teilnehmer, der zum 17. Mal den Berlin Marathon gelaufen war.
Manche Aufgabe und Herausforderung im Beruf erscheint uns ebenfalls wie ein Marathon. Wir wissen, wohin wir wollen, wir kennen den Streckenverlauf und wir ahnen, dass es nicht nur vergnüglich werden wird. Aber was tun wir, wenn uns zwischendrin unsere Kraft und unsere Überzeugung verlassen, dass wir genau das richtige tun und sich der lange Weg trotz aller Anstrengung lohnt? Wie beim Laufen lässt sich auch im Beruf Ausdauer trainieren. Wichtig ist dabei zu akzeptieren, dass wir an jeder Herausforderung scheitern können. Und, dass wir eher selten eine größere Aufgabe abarbeiten, ohne zwischendrin immer mal wieder an uns und unseren Fähigkeiten zu zweifeln.
Nur was tun wir, wenn wir zu unserer eigenen Enttäuschung feststellen müssen, dass wir lieber jetzt als gleich ein Projekt aufgeben möchten, weil uns augenscheinlich das Durchhaltevermögen dafür fehlt? Wo finden wir dann die Musikbands und die anfeuernde Fans?
Wir können sie uns auf zwei Wegen zukommen lassen. Durch uns selbst und durch Familie, Freunde, Vorgesetzte oder Kollegen. Sie können wir bitten, unsere ‚Supporter‘ zu sein. Wir beauftragen sie zum Beispiel uns einmal täglich mit gemeinsam vereinbarten Sätzen wie, „du schaffst es…“ oder „du hast das Wichtigste bereits geschafft, weil Du begonnen hast…“ zu unterstützen, ohne weitere Kommentare oder Fragen hinzuzufügen. Oder wir sind unsere eigenen Supporter und fragen uns, was geschehen würde, wenn wir es ins Ziel schaffen und zum Beispiel tatsächlich die Doktorarbeit oder den Jahresbericht fertig schreiben?
Hilfreich ist es auch, wenn wir uns selbstkritisch fragen, ob wir möglicherweise einen Vorteil davon haben, wenn wir aufhören, ehe wir durchs Marathonziel gelaufen sind? Vermeiden wir dadurch die nächste große berufliche Aufgabe? Haben wir Angst davor, spätestens dann zu versagen und backen deshalb gleich lieber kleinere Brötchen und gehen den bequemeren Weg, damit wir gar nicht erst in die Gefahr laufen, erneut gefordert zu werden oder uns zu fordern?
Halten wir durch und erreichen unser Ziel oder eines unserer Teilziele auf dem Weg, dann feiern wir unseren Fortschritt und am Ende auch unseren Erfolg: Unserem Durchhaltevermögen sei Dank für die Bewältigung der gesamten Marathonstrecke.
Checkliste
1.) Wenn wir an uns beobachten, dass uns Ausdauer und Durchhaltevermögen eher fehlen, dann können wir uns helfen, in dem wir uns konkret sagen, was wir machen und erreichen möchten. Etwa: ‚ich schreibe meine Doktorarbeit in den nächsten vier Wochen zu Ende. Ich schaffe das und arbeite ab sofort jeden Tag x,y,z Stunden dafür‘. Sätze wie, ‚es wäre besser, ich würde versuchen‘, … helfen uns seltener weiter.
2.) Kommen wir allein nicht zum Ziel und beobachten, dass unsere Willenskraft schnell nachlässt, dann empfehlen sich Supporter, Unterstützer und Unterstützerinnen, Familie, Kollegen, Vorgesetzte und / oder eine professionelle Beratung durch einen Therapeuten oder einen Coach.
3.) Wie beim Marathon können wir unser Durchhaltevermögen trainieren. Wir zerlegen die lange Strecke, die Herausforderung in kleinere Teilziele, genießen es, wenn wir diese erreicht haben und verzeihen uns, wenn wir Umwege gehen, ehe wir wieder auf die Zielgerade einbiegen und weiterhin durchhalten bis zum Ziel.
4.) Spüren wir, dass die Widerstände größer und größer werden, dann können wir uns manchmal weiterhelfen, wenn wir uns ausmalen, wie es wäre, wenn wir wirklich durchhalten würden? Wie ginge es uns dann uns unserem Selbstvertrauen? Vermutlich hätten wir ein ähnlich zufriedenes Lächeln auf den Lippen wie die Marathonläufer in Berlin nach ihrem Zieldurchlauf. Schließlich haben wir, wie sie, uns selbst überwunden und haben uns der Anstrengung gestellt, anstatt ihr aus dem Weg zu gehen.
Tipps zum Lesen
Willmann, Hans-Georg: 30 Minuten Willenskraft, 2012 (3. Auflage), Gabal Verlag, ISBN: 9783869363554.