Wenn Entscheidungen zur Qual werden

Soll ich den gut bezahlten Job aufgeben und zu meinem Freund ziehen, 800 km weg von hier und mit dem Risiko, dass aus der Beziehung doch nichts Endgültiges wird? Bleibe ich in der ungeliebten Stelle oder bilde ich mich weiter, damit ich endlich meinen Traumberuf ausüben kann? Welcher Mitarbeiter soll die unbesetzte Abteilungsleiterstelle ausfüllen. Der brave und zuverlässige oder der manchmal über das Ziel hinausschießende Kollege? Und welche Folgen hat es, wenn ich mich falsch entscheide, wenn meine Entscheidung am Ende ein Fehler ist?

Sich entscheiden (zu müssen), ist oft alles andere als einfach. Für manchen von uns kann die Herausforderung, aus mehreren Alternativen eine wählen zu müssen, regelrecht quälend sein. Wir beschäftigen uns unablässig damit, befragen alle und jeden, entschließen uns dann schweren Herzens für einen Weg und misstrauen diesem sofort wieder, weil uns der andere, der zunächst von uns abgelehnte Weg jetzt als der doch bessere erscheint.

Die Entscheidung kommt nicht anonym und unverhofft über uns. Denn wir sind es, die sich entscheiden – und dann lernen müssen, mit der von uns getroffenen Wahl umzugehen und zu leben. Kein Wunder, dass für so manchen von uns Entscheidungen zur Qual werden können. Augenscheinlich ist dies nicht nur ein aktuelles Problem, sondern ein schon über mehrere tausend Jahre beobachtetes Phänomen. Der griechische Philosoph Pythagoras von Samos (um 570 v. Chr. – um 510 v. Chr.) und Entdecker des Satzes des Pythagoras soll gesagt haben, dass ausgerechnet die kürzesten Wörter das meiste Nachdenken erfordern: ‚ja‘ und ‚nein‘ (vai, Óxi).

Was können wir tun? Zunächst können wir schauen, ob wir uns tatsächlich jetzt entscheiden müssen. Oder kann die Entscheidung erst einmal vertagt werden und alles so bleiben wie es ist? Stellen wir uns selbst überhaupt die richtigen Fragen oder sollten wir uns nicht lieber mit einer ganz anderen Angelegenheit befassen? Haben wir schon einmal vor ähnlichen Situationen in unserem Leben gestanden? Wie haben wir uns damals entschieden und woher haben wir uns die Kraft dafür geholt? Weiterhin können wir fragen, ob unsere Sicht der Dinge immer die allein richtige ist und ob es für uns manchmal auch zielführend sein kann, uns zusätzlichen Rat von einem Coach, einem Therapeuten oder von anderen Fachleuten zu holen. Mit ihnen gemeinsam kann es uns möglicherweise gelingen, andere, unerwartete Perspektiven zu entwickeln. Wägen wir zudem noch die Vor- und Nachteile unserer möglichen Entscheidung gründlich gegeneinander ab und mit der dafür notwendigen Zeit, dann können wir eine Entscheidung wagen. Bewusst und definitiv – bis zur nächsten Entscheidung.

 

Checkliste

1.) Auf vielfältige Weise untersuchen Wissenschaftler, wie wir Menschen uns entscheiden, Die Marktforschung z. B. möchte herausfinden, weshalb wir nach einer bestimmten Marmelade im Supermarkt greifen, wenn wir 20 Sorten zur Auswahl haben. Wir wünschen uns einerseits Wahlfreiheit, andererseits haben wir meist zu viele Wahlmöglichkeiten. Sie kosten uns oft viel Zeit. Dadurch fühlen wir uns eher unter Druck gesetzt, anstatt uns über unsere Wahlfreiheit zu freuen und greifen dann oft genug zum erstbesten, jedoch nicht immer zum besten Produkt.

2.) Unter uns Menschen finden sich unterschiedliche Entscheidertypen. Während der eine jede Chance nutzt, etwas zu verändern, um schneller, weiter, besser zu werden, zögert der andere lange und schreckt vor der Verantwortung zurück, ja oder nein sagen zu müssen. Führungskräften wird dieses Zögern als Schwäche ausgelegt. Oder der Entscheider braucht als erstes einmal viele Informationen, die er akribisch zusammenträgt und sammelt, ehe er sich festlegt. Bin ich z. B. ein Veränderer, dann kann ich mir bei der nächsten Entscheidung die Frage stellen, drängelt mich jetzt wieder meine Gier nach Neuem dazu, etwas verändern zu müssen? Oder ist es tatsächlich sinnvoll und richtig, jetzt etwas Neues anzupacken? Als Zögerer kann ich zurückschauen in meinem Leben und prüfen, wo mir mein Zögern Vorteile und wo es Nachteile gebracht hat und so meine Lebenserfahrung als Unterstützung nutzen, ebenso als Sammler.

3.) Manchmal fällt es uns leichter, uns zu entscheiden, wenn wir statt, ‚ich muss…‘, ‚es ist notwendig…‘, ‚es ist sachlich erforderlich…‘ uns zu einer Entscheidung einladen und sagen, ‚ich will.., ich kann…, ich darf mich entscheiden…‘.

Tipps zum Lesen

Psychologie heute compact, Die Qual der Wahl, 2011, Beltz Verlag, ISBN: 9783407472151

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