Karriere aus und vorbei
„Ich hatte keine Ahnung. Erst als ich in das Zimmer meines Chefs trat, spürte ich, dass etwas nicht stimmt.“ Sein Gefühl betrog Joachim M. nicht. Mit dürren Worten teilte sein Chef dem studierten Betriebswirt und Leiter einer großen Abteilung in einem Versicherungsunternehmen mit, dass ab sofort ein jüngerer Kollege die Aufgaben von Joachim M. übernehme. Er behalte alle Bezüge, seine Führungsaufgaben jedoch nicht, stattdessen werde er künftig dem Kollegen zuarbeiten. „Damit ist für mich die Karriereleiter in unserem Unternehmen zu Ende. Für mich als über 5ojährigen gibt es bei uns keine Chance mehr auf eine der Spitzenpositionen. Das habe ich aus dem Gespräch auch mitgenommen.“ Mit dem Verlust der bislang gerne und mit Begeisterung ausgeübten Aufgabe und damit der Vorstellung, diese in den kommenden Jahren vielleicht sogar noch weiter entwickeln und ausbauen zu können, geht für Joachim M. nicht nur die berufliche Perspektive verloren. Die Degradierung verletzt sein Selbstwertgefühl. Bislang kamen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ihm, um mit ihm die anstehenden Aufgaben zu besprechen. Jetzt fragen sie den anderen. Seine Fähigkeiten, die bislang ausreichend erschienen, sind gar nicht mehr oder nur noch teilweise gefragt. Die Aufgabe des Abteilungsleiter, die ihm auch ein Stück weit Bedeutung verliehen hatte, fiel plötzlich weg. „Ich hatte eine Zeitlang das Gefühl, ich bin meiner Würde beraubt worden. Nicht nur ich, auch meine ganze Familie haben unter der veränderten Situation zunächst ziemlich gelitten.“
Heute hat er sich arrangiert und macht, wie er selbst sagt, „das Beste daraus“. Hatte er sich noch am Anfang trotzig dazu entschlossen, nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen, arbeitet er inzwischen wieder so zuverlässig, wie er es für sich richtig findet. Mit einer Einschränkung. „Ich versuche, mich außerhalb des Berufs zu engagieren und genügend Zeit dafür zu haben. Sowohl in meinem Privatleben, als auch im Ehrenamt. Und ich habe in einem Coaching neue Perspektiven für mich entwickelt und mir meine Potentiale noch einmal bewusst gemacht und deutlicher herausgearbeitet.“ Diese bringt er inzwischen bewusst und vermehrt in seinen Beruf ein und genießt es, sich auszuprobieren und sich darin selbst zu beweisen „Dennoch, der Schmerz und die Enttäuschung sind immer noch gegenwärtig, auch über den Mangel an Respekt, der mir für meine langjährige Arbeit im Unternehmen entgegengebracht wurde.“
Checkliste
1.) Das ungeplante Ende einer Karriere bedeutet immer auch Abschied zu nehmen von Perspektiven und der Identifizierung mit dem, was einen Großteil des Lebens ausgemacht hat.
2.) Der Blick zurück kann helfen, das eigene Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Fragen Sie sich beispielsweise, was Ihre größten Erfolge waren. Wo haben Sie dafür gesorgt, dass gute Mitarbeiter von Ihnen Karriere gemacht haben? Was hat Sie dazu gebracht, sich für den von Ihnen gewählten Beruf zu entscheiden? Die Antworten ändern nichts an der Enttäuschung über das unerwartete Ende. Sie können jedoch dazu beitragen, dass Sie sich Ihrer wieder selbst bewusst werden und neue berufliche und private Perspektiven entwickeln.
3.) Ehrenamtliche Aufgaben oder Sport im Verein oder in einer Gruppe können zudem Halt geben.