Azubi schult Boss

Azubi schult Boss? Falsch, Boss schult Azubi. So stimmt die Aussage!

Meistens ja, allerdings nicht mehr in allen Unternehmen und nicht mehr bei allen Themen. Seit einigen Jahren haben Firmen wie Merck, IBM, Telekom, Mercedes oder VW das sogenannte Reverse Monitoring eingeführt zu Fragestellungen wie das Einführen neuer Kreativitätstechniken, der Weitergabe von konkretem fachlichen Wissen oder bei den rasanten Entwicklungen der digitalen Welt.

Anders als beim klassischen Monitoring, bei dem ausgewählte ältere Kollegen jüngeren Mitarbeitern ihre über lange Jahre erworbenen Kompetenzen weiter geben, heißt es beim Reverse Monitoring, hier ist der Azubi der Lehrer. Rene Obermann beispielsweise, seit 2006 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, ließ sich von einem jungen Trainee seines Unternehmens in die Welt des Web 2.0 einführen. Seither bietet die Telekom ihren Führungskräften an, sich in der digitalen Welt von jungen Mentoren aus dem eigenen Haus weiterbilden und auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Zum Vorteil von beiden: der Senior lernt die Chancen, die in den neuen Medien stecken, für sich und für sein Unternehmen kennen und erfährt, was junge Menschen zu bestimmten Themen denken und wollen, während der Junior Kontakt zu Mitarbeitern in der Führungsetage bekommt, denen er üblicherweise eher selten begegnet.

Damit der Wissenstransfer von Jung nach Alt weitgehend reibungslos verläuft, gilt es im Umgang miteinander die subtilen Spielregeln zwischen verschiedenen Hierarchieebenen einzuhalten, auch wenn der Umgang miteinander offen und zielorientiert stattfindet.

Künftig wird Reverse Monitoring in vielen Firmen Teil des allgemeinen Wissensmanagements sein. Fachleute schätzen, dass sich das Wissen der Menschheit inzwischen im Jahresrhythmus verdoppelt. Lebenslanges Lernen wird mehr noch als heute unabdingbar für alle Mitarbeiter in einem Unternehmen sein, wenn es konkurrenzfähig bleiben will. Bei einem Anteil von 40% der über 60jährigen im Jahr 2050 stehen dann gerade Menschen jenseits der 50 vor der Herausforderung, sich praxisnah weiterzubilden – auch mit Unterstützung der jüngeren Mitarbeiter. Unternehmen, die heute bereits beginnen, ihr Wissensmanagement zu organisieren und dafür zu sorgen, dass es nicht darauf ankommt, wer Wissen weitergibt, sondern wie vorhandenes Wissen von innerhalb und von außerhalb des Unternehmens sinnvoll im eigenen Haus genutzt wird, haben beste Chancen, weiterhin am Markt zu bestehen.

 

Checkliste

 

1.) Im europäischen Vergleich steht Deutschland auf einem mittleren Platz beim Thema berufliche Weiterbildung. Sowohl die Mitarbeiter als die Unternehmen setzen bislang zu wenig auf „Lebenslanges Lernen“. 2008 haben sich gerade 25% der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beruflich weiter gebildet.

2.) Eventuell müssen die Angebote für das lebenslange Lernen anders aussehen, als bislang. Kurse, die im klassischen Frontalstil ablaufen, sind vor allem bei älteren Arbeitnehmern eher selten gefragt. Praxisnahes Weitergeben von Wissen scheint zielführender und gerade für ältere Arbeitnehmer attraktiver zu sein.

3.) Vermutlich gilt es auch, Klischees abzubauen. Berufliche Weiterbildung ist kein Nachsitzen, sondern ein Investment in die eigenen Chancen, weiterhin beruflich erfolgreich zu sein. Und Unternehmen müssen begreifen, dass Menschen bis ins höchste Alter fähig sind zu lernen, wie es die Gehirnforschung seit Jahren nachweisen und belegen kann.

 

Tipps zum Lesen

FAZ, 8. / 9. Dezember 2012, C1, Beruf und Chance: „Alt lernt von Jung“.

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