Stress aus Langeweile im Beruf
Morgens als erster im Büro, abends als letzter wieder draußen, zwischendrin ein vollgepackter Arbeitstag mit fleißig klappernder Tastatur und geschäftigem Hin- und Hergehen auf dem Flur: von außen beobachtet wirkt Harald B. engagiert und als Mitarbeiter in einem großen Dienstleistungsunternehmen offenbar täglich gefordert. In Wirklichkeit langweilt er sich. Hinter der klappernden Tastatur verbirgt er private Recherchen im Internet, die emsigen Flurspaziergänge dienen ihm dazu, dem Vorgesetzten zu signalisieren, ich bin da, ich bin fleißig und unersetzlich. Abends fährt er frustriert, ausgelaugt und demotiviert nach Hause und fühlt sich gestresst vom täglichen Nichtstun. Innerlich hat er seinem Arbeitgeber längst gekündigt.
Es gibt Mitarbeiter, die es genießen, im Job so zu tun, als seien sie ausgelastet und dafür Geld zu bekommen. Für die allermeisten ist das Gefühl, mit den ihnen vorgegebenen Aufgaben unterfordert zu sein oder nicht gebraucht zu werden, jedoch ein Schreckensszenario, das nach Auffassung von Ärzten und Psychologen wahrscheinlich ebenso krank machen kann, wie das Gefühl des Überfordertseins. Stress aus Langeweile kann beispielsweise ebenso zu Kopf- und Rückenschmerzen oder zu Stimmungsschwankungen führen wie Stress aus Überforderung.
Ähnliche gesundheitliche Auswirkungen können Tätigkeiten haben, die von Routine bestimmt sind. Stress aus Langeweile kann sich auch einstellen, wenn zu viele Mitarbeiter das gleiche machen und sich keiner mit einem Spezialthema gegenüber den anderen auszeichnen kann, wenn Mitarbeiter Arbeiten erledigen müssen, die ihnen nutzlos erscheinen oder wenn sie ihr fachliches Wissen nicht oder für sie nur unzureichend anbringen können. Versuchen die Mitarbeiter dann noch, ihr sich unterfordert fühlen vor anderen zu verbergen, weil es beim Chef, den Kollegen und Kolleginnen und im privaten Umfeld als wenig „sexy“ angesehen ist, sich im Beruf zu langweilen, dann kommt hierdurch oft genug ein weiterer Stressfaktor hinzu.
Selbst in äußerst spannenden Berufen gibt es vermutlich Tätigkeiten, die wir als geistlos empfinden und deshalb ungern tun. Sind wir unseres Berufes allerdings tagtäglich überdrüssig und interessiert er uns schon seit langem nicht mehr, dann haben wir zwei Möglichkeiten damit umzugehen: Entweder wir arrangieren uns mit dem quälend tristen Beruf und akzeptieren unsere berufliche Situation oder wir ändern etwas daran und damit an unserem Stress durch Langeweile in unserem Beruf.
Checkliste
1.) Wer wir spüren und wissen, dass wir uns in unserem Beruf langweilen und wir daran etwas ändern möchten, dann ist es hilfreich, wenn wir uns unsere berufliche Situation genau ansehen. Helfen können uns dabei einige Fragen: Ist es der Beruf selbst, der mich langweilt oder ist es das Unternehmen und seine Unternehmenskultur, in dem ich meinen eigentlich von mir sehr geliebten Beruf ausübe? Kenne ich überhaupt meine beruflichen Stärken und Kompetenzen? Will ich Verantwortung für meinen Beruf und mich übernehmen, mit allen Konsequenzen? Was erwarte ich von mir und von meinem beruflichen Leben?
2.) Haben wir uns diese Fragen beantwortet – am besten mit professioneller Hilfe eines Therapeuten, Arztes oder eines Coaches – dann sollten wir das Gespräch mit unseren Vorgesetzten suchen und mit ihnen gemeinsam prüfen, welche beruflichen Veränderungen – neue Aufgaben, neue Abteilung, klare Arbeitsanweisungen, Teilzeit – möglich sind.
3.) Wenn Änderungen nicht machbar sind, ist ein Arbeitsplatzwechsel angesagt.
4.) Möchten wir an unserem beruflichen Umfeld nichts ändern, uns jedoch weniger gestresst fühlen durch unsere Langeweile im Beruf, dann können wir uns beispielsweise weiter bilden oder im Privatleben ehrenamtlich tätig sein.
Tipps zum Lesen
Das innere Gleichgewicht finden, Psychologie heute compact, Heft 27, 2011, S. 73 ff.
Langeweile im Job kann psychisch krank machen, Ärzte Zeitung, 15. 2. 2011
Rothlin, Philipp, Werder, Peter, R., Diagnose Boreout – warum Unterforderung im Job krank macht, 2007, Redline Wirtschaftsverlag, ISBN: 978-3636014627