Egoismus – ja, bitte!

„Ich kann mir Konflikte im Team einfach nicht leisten. Wir haben große Mühe, gute Mitarbeiter zu finden. Deshalb versuche ich, so gut ich kann, niemand zu verärgern oder gar zu verprellen. Jetzt habe ich allerdings den Eindruck, das ist der falsche Weg. Deshalb sitze ich hier.“ Der Software-Unternehmer Manfred O. mit 47 Mitarbeitern hatte seit einiger Zeit beobachtet, dass einige Kolleginnen und Kollegen mit verbalen Angriffen ihm gegenüber und langen Diskussionen mit ihm über die von ihnen gemachten Fehlern auch engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer mehr dazu brachten, immer häufiger Dienst nach Vorschrift zu machen und so wenig wie möglich zu arbeiten. „Sie scheinen sich zu sagen, wozu sollen sie viel arbeiten, wenn das wenige Arbeiten der anderen auch keine Konsequenzen auslöst.“

Schwierig war für ihn zunächst, zu erkennen, dass sein unklares Verhalten und seine Einstellung, er dürfe bösartige Bemerkungen gegenüber seiner Person nicht persönlich nehmen, die problematischen Mitarbeiter darin bestärkte, weiterhin kindhaft-trotzig zu reagieren, statt Verantwortung für ihre Fehler und Fehlentscheidungen zu übernehmen. „Ich habe geglaubt, als Chef müsse ich für meine Mitarbeiter da sein und sie vor dem Unbill des Arbeitslebens schützen. Nicht begriffen habe ich, dass ich auch egoistisch sein muss, wenn mir ein Mitarbeiter mit seinen Aussagen zu nahe tritt und dass ein klares Stopp viel zielführender sein kann als lange Gespräche über das Verhalten und die Fehler der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.“

Manfred O. begann, sich in Konfliktsituationen genauer zu beobachten und machte mit sich ein „Egoismustraining“ wie er es nannte, d. h., er trainierte, in Konfliktgesprächen zunächst an sich zu denken. Er lehnte sich innerlich zurück, schaute, welche Empfindungen und Reaktionen sich bei ihm zeigten und fragte sich, ob er es zulassen will, dass er sich persönlich von den Aggressionen seines Gegenübers getroffen fühlt. Er prüfte dann in Gedanken, ob er sofort reagieren oder ob er das Gespräch zu einem anderen und für ihn besseren Zeitpunkt führen sollte, wenn er sich mit sich und seinen Gedanken und Emotionen sicher fühlt und eine klare Aussage treffen oder sachlich nachfragen kann. „Seit ich bei Auseinandersetzungen erst einmal den Dialog mit mir eröffne, statt mit meinem Gesprächspartner und bewusst versuche, dabei eine entspannte Körperhaltung einzunehmen, fällt es mir leichter, die Situation aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Manchmal sehe ich dann, dass auch ich Fehler mache und nicht nur die anderen.“

 

Checkliste

 

1.)Egoistisch zu sein gilt als negatives Verhalten. Dabei ist es wichtig, so beispielsweise der Dalai-Lama, dass wir nicht nur auf die anderen, sondern auch auf uns schauen, denn sonst verlieren wir uns aus den Augen.

 

2.)Gelingt es uns, in schwierigen Situationen uns zu spüren und uns zu fragen, ob wir uns so verhalten und äußerlich mit unserer Körpersprache so wirken möchten, wie wir es in dem Moment tun, dann bringen uns Überraschungen unseres Gegenübers höchstens noch kurzfristig aus dem Gleichgewicht.

 

3.)Dank des Egoismustraining hat Manfred O. gelernt, konsequenter und geradliniger zu handeln und zu entscheiden. Bei gemachten Fehlern analysiert er mit seinen Mitarbeitern sachlich die Folgen des Fehlers und vereinbart mit ihnen entsprechende Lösungs-Schritte.

 

4.)Führungspersönlichkeiten glauben immer wieder, dass es ihnen gelingt, kindlich-trotzig reagierende Mitarbeiter mit langen Diskussionen und Eingehen auf die verbalen Angriffe zu überzeugen. Oft sind hier ein kurzes Stopp und knappe und klare Arbeitsanweisungen hilfreicher. Sie ermöglichen es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wieder auf die Erwachsenenebene zurückzukehren und sich als vollwertiges Teammitglied wahrgenommen zu fühlen.

 

5.)Ein klare Perspektive auf die eigene Arbeit und das eigene Können helfen, eigene Erfolge zu würdigen und Gehaltshandlungen ruhig und zielführend zu gestalten.

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