Mein Kollege – mein bester Feind

„Schon wieder hat mein Kollege mich mit einer schrägen Bemerkung auf die Palme gebracht, in der letzten Sitzung trieften seine Sätze vor Polemik, sein Intrigenspiel ist für mich kaum noch zu durchschauen, und ich reagiere immer heftiger auf ihn und sein für mich schwieriges Verhalten.

Mein beruflicher Alltag wird für mich immer unangenehmer“, erzählte Christopher P. in seiner ersten Beratungsstunde. Der Biowissenschaftler wünschte sich einen anderen Umgang mit seinem „besten Feind“ und ein angenehmeres Betriebsklima für sich und sein Team. Den Konflikt innerhalb der Abteilung mit Hilfe von außen zu lösen, etwa mit einem Mediator, hatte die Geschäftsleitung mehrfach abgelehnt. Konfliktgespräche im Team waren zuvor ohne spürbare Resultate geblieben.

Christopher P. entschied sich deshalb dafür, das Problem von seiner Seite aus anzupacken und ein Coaching zu machen, „weil bei mir irgendwann die Frage auftauchte, was hat das alles mit mir zu tun und wie trage ich möglicherweise zu der schwierigen Situation in unserer Abteilung bei“. Im Laufe des Coachings begann er zu erkennen und zu akzeptieren, dass das Bild, das er sich von seinem Kollegen gemacht hatte, von seinen eigenen Erwartungen und Vorurteilen beeinflusst worden war. Und dass er mit seinem Annahmen und Befürchtungen das Verhalten seines Kollegen mitbestimmt hatte. Solange er ihn als Kontrahent betrachtete und ihm dies deutlich zeigte, reagierte dieser trotzig und abwehrend darauf. „Wenn ich mir die Situation rückblickend ansehe, dann haben wir uns gegenseitig regelrecht hochgeschaukelt mit unseren Vermutungen übereinander. Jeder hatte offenbar ein ganz bestimmtes Bild von dem anderen im Kopf. Erst nachdem ich versucht habe, anders mit den Situationen umzugehen und ihm vor allem so respektvoll wie möglich zu begegnen, begann sich unser Verhältnis zu verbessern. Zwischendrin hätte ich fast wieder damit aufgehört, denn sein Verhalten veränderte sich zunächst überhaupt nicht. Vermutlich hat er mir zunächst nicht geglaubt, dass ich mich wirklich um einen besseren Umgang miteinander bemühe.

Christopher P. und sein „bester Feind“ sind keine Freunde geworden. Inzwischen schaffen sie es jedoch, freundlicher und fairer miteinander umzugehen und haben dadurch auch erreicht, dass die Atmosphäre im Betrieb weniger angespannt ist. „Konflikte treten nach wie vor auf. Wir lernen gerade, sie mit Hilfe von Gesprächen zu entschärfen. Dazu sind inzwischen alle bereit, auch wir beide. Zum Glück.“

   

Checkliste

 

1.) Selbst in Abteilungen und Unternehmen, in denen die Sympathien der Kolleginnen und Kollegen untereinander groß ist, gibt es Reibereien und Konflikte. Ein gut vorbereitetes Gespräch unter vier Augen kann dazu beitragen, die Schwierigkeiten zu verringern.

 

2.) Manchmal ist es bei Schwierigkeiten im Team auch hilfreich zu fragen, welche Anteile habe ich, und was kann ich bei mir ändern, damit sich die Situation verbessert? Etwa, in dem ich meine Sichtweise auf mein Gegenüber verändere und damit mein Verhalten ihm oder ihr gegenüber.

 

3.) Ein Perspektivenwechsel kann ebenfalls hilfreich sein bei Konflikten: In welcher Rolle trete ich dem Kollegen oder der Kollegin gegenüber und welche hat er, hat sie? Würde ich aus seiner, aus ihrer Rolle heraus anders mit einem Konflikt oder einer Herausforderung umgehen? Habe ich meine Position ausreichend begründet und vorgetragen und entsprechend vertreten?

 

Tipps zum Lesen

 

Wawrzinek, Ursula, Geht’s noch?! Vom Umgang mit sturen Eseln und beleidigten Leberwürsten, 2009, Knaur TB, ISBN: 9783426798393

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