Danke, dass Sie sich beschweren
Für Carola E. war es eine schwere Entscheidung. Voller Enthusiasmus hatte ihr Chef ihr angeboten, Leiterin der neu zu schaffenden Abteilung des Beschwerde- und Verbesserungsmanagement zu werden. Mehr Gehalt inklusive. Nach langem Zögern und intensiven Verhandlungen entschied sich die studierte Betriebswirtin für die Herausforderung, die neue Abteilung in ihrem Versicherungsunternehmen aufzubauen. „Ich habe am Ende verstanden, dass es nicht nur darum geht, wie von mir befürchtet, mich auf verärgerte Kunden einzulassen, sondern Lösungen zu finden, die für beide Seiten von Vorteil sein können, und meine Erfahrungen und Auswertungen in die Organisationsabläufe des Unternehmens einzubringen und damit die Prozesse in unserem Haus insgesamt zu verbessern.“
Unternehmen wie das von Carola E. wissen, welchen wertvollen Schatz sie in den Beschwerden ihrer Kunden haben. Sie nutzen den ihnen gegenüber geäußerten Ärger, um ihre Angebote weiter zu verbessern, ihre Dienstleistung zu optimieren und damit den Erfolg ihres Unternehmens zu erhöhen. Sie machen außerdem die Erfahrung, dass Verbraucher, die sich bei ihnen beschweren, statt ihre Kritik im privaten Kreis zu äußern und dann dem Unternehmen fern zu bleiben, in den meisten Fällen weiterhin Abnehmer ihrer Produkte sind und zu Stammkunden werden oder diese bleiben. Beschwerden verdeutlichen einem Unternehmen, einer Institution außerdem, welche Stärken und Schwächen das Unternehmen und seine Produkte aus der Sicht seiner Kunden haben. Manchmal sind die Anregungen der Kunden sogar so wertvoll, dass sie sich für Innovationsprozesse nutzen lassen.
Viele Unternehmen befördern deshalb besonders langjährige, umsichtige und lösungsorientierte Kolleginnen und Kollegen in die Position eines Beschwerde- und Verbesserungsmanager und statten sie mit viel Verantwortung aus, die es Mitarbeitern wie Carola E. erlauben, Fehler weitgehend selbständig zu korrigieren und damit ihren Kunden rasch eine zufriedenstellende Lösung anzubieten. „Auf meine Anregungen hin wurden im Laufe der Zeit alle Mitarbeiter geschult, damit sie wissen, was sie bei Beschwerden ihrer Kunden tun können, selbst diejenigen, die im Moment keinen Kundenkontakt haben. Bei uns im Haus berichte ich direkt an den Vorstand Vertrieb und Marketing. Das zeigt nicht nur mir, sondern auch meinen Kolleginnen und Kollegen, welche bedeutende Rolle bei uns die Kritik unserer Kunden innerhalb des Hauses hat und wie diese von der Führungsspitze Wert geschätzt wird.“
Checkliste
1.) Sachliche Beschwerden werden häufig als Ausdruck eines Mankos innerhalb eines Unternehmens und nicht als Anregung für Verbesserung gesehen. Entsprechend werden die Mitarbeiter, die Beschwerden zu bearbeiten haben, mit nur geringer Kompetenz ausgestattet und selten für ihre Arbeit anerkannt.
2.) Unternehmen und wir als Privatpersonen empfinden sachliche Beschwerden häufig als persönliche Kränkung. Wir reagieren beleidigt und als Unternehmen oft gar nicht auf Kritik. Gelingt es, sachliche Kritik als solche zu erkennen und daraus die entsprechenden Schlüsse für das Unternehmen oder für uns zu ziehen, dann gehen wir nicht nur konstruktiv mit Beschwerden um, sondern auch mit uns und unseren Fehlern.
3.) Firmen und Institutionen, die nicht erkennen, welche Vorteile sachliche Beschwerden für sie haben, laufen Gefahr, dass ihre Mitarbeiter nach „draußen“ vermitteln, wie lästig dem Unternehmen Kritik seitens seiner Kundschaft ist.
4.) Ein gut im Unternehmen implantiertes Beschwerde- und Verbesserungsmanagement kann helfen, Kosten zu sparen. Ein sich ernst genommen fühlender Kunde ist oft genug ein besonders guter und überzeugender Werbeträger für ein Produkt oder eine Dienstleistung.
5.) Für Mitarbeiter im Beschwerdemanagement ist es hilfreich und wertschätzend, wenn sie wissen, dass sie bei Beschwerden wie dem Dampfablassen ihres Gegenübers vor allem zuhören können und nicht in jedem Fall verpflichtet sind zu handeln.