Hauptsache Harmonie

„Ich glaube, ich bin im Laufe der Zeit zum Ja-Sager geworden. Und das tut mir nicht gut.“ Peter M. arbeitet als gelernter Tischler in einem großen Innenausbaubetrieb. Zum Coaching kam er, weil ihm ein Kollege in einer ruhigen Minute mitgeteilt hatte, dass die anderen Kollegen nur noch über ihn lachen und ihn hinter seinem Rücken „Harmonix“ nennen. Dabei, so der junge Handwerker, wolle er es doch allen nur Recht machen. Ihm sei ein harmonisches, ein konfliktfreies Umfeld für seine Arbeit sehr wichtig. Im Laufe der Beratung erkannte er, dass sich hinter seiner Sehnsucht nach Harmonie die Angst verbirgt, sich für sich und seine Interessen einzusetzen und damit auch einmal einen Konflikt auszulösen und durchstehen zu müssen. Würde er dies tun, so befürchtete er, würde er von seinen Kollegen und seinem Chef nicht mehr geschätzt und nicht mehr anerkannt. Mit dem Bekenntnis zu sich selbst, ich bin harmoniesüchtig, begann er allmählich und in kleinen Schritten, immer wieder einmal „Nein“ zusagen zu Aufgaben, die nicht Teil seiner Tätigkeit waren. Er fing an, in den monatlichen Betriebsbesprechungen Vorschläge für Veränderungen zu machen und stellte sich dabei der Kritik der Kollegen, die zu seinem Erstaunen meist ausblieb. Vor allem übernahm er in seinem Betrieb die Aufgabe, die Auszubildenden zu fördern und sich für die Einhaltung ihres Ausbildungsplans im Betrieb einzusetzen, auch wenn er damit nicht immer auf Gegenliebe bei den Kollegen stößt, denen die zusätzliche Arbeit oft lästig ist.

Konflikte mag er bis heute nicht, er geht ihnen jedoch nicht mehr aus dem Weg. „Meine Sehnsucht nach Harmonie ist immer noch groß, im Beruf wie im Privatleben. Ich habe jedoch damit aufgehört, zu allem Ja und Amen zu sagen, obwohl es mir längst zu viel war. Mir ist der Respekt meines Gegenübers lieber, als das scheinbar kameradschaftliche Schulterklopfen, hinter dem sich die Harmonix-Herablassung verborgen hatte.“ Das offene Ansprechen von Konflikten, das aushalten können von Kritik helfen ihm zunehmen, vermehrt seine Kreativität in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen und weniger seine Sehnsucht nach Harmonie. „Seitdem ich mich mehr für meine Interessen einsetze und häufiger „Nein“ sage, habe ich mehr Zeit für meine eigentlichen Aufgaben.“ Freude am Tun inklusive.

 

Checkliste

1.) Wir wünschen uns alle ein harmonisches Umfeld ohne Streit. Wenn jedoch das Streben nach Harmonie zur Sucht wird, kann es uns an unserer beruflichen und privaten Entwicklung hindern. Statt uns im Laufe der Zeit zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu entfalten, verschwinden wir immer mehr hinter unserem feinen im Gesicht wie fest gemeißeltem Lächeln.

 

2.) Jedermann`s Liebling sein zu wollen, ist anstrengend. Wir opfern dafür unsere Persönlichkeit und unsere Interessen, die uns gut tun.

 

3.) Unsere Harmoniesucht lässt sich abbauen, wenn wir aufhören, sofort zu allem „Ja“ zu sagen, das an uns herangetragen wird. Beginnen wir stattdessen zu fragen, weshalb gerade wir um Unterstützung gebeten werden, statt der Kollege oder die Kollegin wird oft recht deutlich, dass es für unser Gegenüber bequem ist, uns zu bitten. Schließlich sagen wir ja zu allem „Ja“.

 

4.) Hilfreich bei zu großer Sehnsucht nach Harmonie kann ein Konflikttraining sein.

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