Wenn ich doch nur…

Kennen Sie das? Sie sitzen bei einem Treffen von alten Freunden oder ehemaligen Klassenkameraden. Alle um sie herum schwärmen von den Karrieren, die sie gerade machen oder gemacht haben. Und ich, fragen Sie sich dann möglicherweise. Eigentlich wollte ich doch statt Jura lieber Architektur studieren, und wenn ich das studiert hätte, dann wäre ich heute Stararchitekt statt Fachanwalt für Arbeitsrecht. Habe ich einen Fehler gemacht? Wäre es für mich erfüllender gewesen, den anderen Weg zu gehen?

Was machen wir in solchen Situationen mit uns? Weshalb stellen wir unsere Entscheidungen, die wir in unserem Beruf oder in unserem Privatleben getroffen haben, plötzlich in Frage? Wir waren doch ganz zufrieden mit unserem Leben und sicher, dass wir die Alternativen gründlich geprüft haben, ehe wir z. B. die Stelle als Schulleiter angenommen haben, statt in die freie Wirtschaft zu gehen. Haben wir etwas versäumt, haben wir eine Chance verschlafen und damit unserem Leben eine Wende gegeben, die wir heute bereuen? Wäre die Karriere als Produktmanager in Paris nicht aufregender gewesen als die Herausforderung, einem traditionsreichen Unternehmen im Osten der Republik auf die Beine zu helfen?

Vielleicht.

Manchmal packt uns das Bedauern, etwas Entscheidendes im Leben verpasst und damit versagt zu haben, so stark, dass wir dabei völlig vergessen, was wir alles erreicht und geschafft haben. Wir verstellen uns selbst den Blick auf unser Leben und auf den Weg, weiterzugehen und neu abzuwägen und zu entscheiden. Es ist für uns nicht immer einfach, zu akzeptieren, dass wir manches in unserem Leben nicht mehr ändern können. Wir ärgern uns über die Chancen, die wir nicht ergriffen haben, und bisweilen brauchen wir eine ganze Weile und die Hilfe von außen, unsere Trauer über uns zu verarbeiten und los zu lassen. Gelingt uns der Abschied, kommen uns möglicherweise unerwartete Ideen, die uns Freude machen. Köchin in einem ausgezeichneten Restaurant sind wir nicht geworden, unser neuer Teilzeitberuf als Caterer oder Sommelier mit eigenem Weingeschäft schenkt uns ebenfalls viele wohltuende Momente.

Es gibt auch nicht genutzte Möglichkeiten, die wir für immer vergessen und nicht noch einmal aus der Schublade herauszerren möchten. Das Work-Out im Fitnesscenter, der lange Spaziergang oder das ausgelassene Tanzen im eigenen Wohnzimmer mit Walkman im Ohr können uns helfen, die von verfehlten und nicht mehr zu ändernden Gelegenheiten zu verdrängen.

       

Checkliste

Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.

1.) Manchmal kommt sie nach Jahren und unerwartet, die nagende Frage, ob wir alles richtig gemacht und uns richtig entschieden haben. Müssen wir sie mit Nein beantworten, kann uns das in Trauer und Verzweiflung stürzen. Heute wüssten wir es besser und würden einen anderen Weg wählen. Hilfreich ist es dann, uns diese Gefühle der Trauer und der Verzweiflung zu erlauben, auch mit Hilfe von Freunden, einem Therapeuten oder einem Coach, und allmählich zu beginnen, genauer hinzusehen und zu prüfen, ob wir für uns heute etwas aus der Situation lernen können.

 

2.) Manchmal hilft es, uns zu erlauben, ohne einen weiteren Blick zurück nach vorne zu gehen und erst einmal davon zu laufen von der quälenden Frage nach den verpassten Chancen. Vielleicht öffnen wir uns später einmal dafür.

 

3.) Manchmal kann es auch aufregend sein, die Fragen nach den verpassten Chancen umzuwandeln in Herausforderungen an uns heute. Wir fühlen uns inzwischen als qualifizierte Führungspersönlichkeit? Vielleicht bietet uns die Leitung eines Vereins oder einer Abteilung in unserem Sportverein die Chance, bei uns und anderen viel Gutes zu bewirken.

4.) Manchmal ist es hilfreich, uns zu verzeihen für unsere früheren Entscheidungen: Möglicherweise würden wir heute mutiger sein, wir wissen heute mehr und haben Freunde, die uns unterstützen. Damals haben wir so gut wie wir zu der Zeit konnten, gehandelt.

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