Mach mal Pause
Mit wohl getönter Haut und entspanntem Gesicht saß mir mein Klient Bertholt K. nach seinem Urlaub gegenüber. Begeistert berichtete mir der erfolgreiche Computerfachmann und Inhaber eines rasch wachsenden Softwarehauses von seinen erholsamen dreiwöchigen Wanderungen durch die österreichischen Berge. „Mir hat die für mich sehr lange kreative Pause richtig gut getan, ich habe viele gute Ideen mit nach Hause gebracht, die mir weiterhelfen werden“ sagte er und setzte dann seine Erzählung mit dem Wunsch fort, diese kreative Pause auch in seinen Alltag übertragen zu wollen. Allerdings habe er so recht keine Vorstellung, wie er dies tun könne. Im Coaching arbeiteten wir dann zunächst heraus, wie er seinen Urlaub als die von ihm beschriebene kreative Pause gestaltet habe. Lange stille Momente am Tag während des Wanderns, gemütliche Ruhepausen, angeregte Gespräche mit seiner Familie und seinen Wanderfreunden und deren Familien beim gemeinsamen Abendessen, zwischendrin der Besuch einer kleinen Dorfkirche oder anderer Sehenswürdigkeiten strukturierten seine Urlaubstage.
Schritt für Schritt begann er, kreative Pausen in seinen Berufsalltag, der vor allem von Terminen, Teamsitzungen, Telefonaten und Besprechungen bestimmt ist, zu integrieren. Inzwischen gehören kurze Spaziergänge nach intensiven kreativen Arbeitsphasen mit einem oder mehreren Kollegen in der Nachbarschaft des eigenen Unternehmens ebenso zu seinem Arbeitsalltag, wie ein abendlicher Waldlauf pro Woche, ein paar Seiten in den Romanen seiner Lieblingsautoren vor dem Einschlafen oder der Ruhetag im Monat, den er als Bertholt-Tag nach seinen Bedürfnissen gestaltet und erlebt, mal mit seiner Familie, mal mit seinen Freunden, mal ganz allein für sich.
Anfänglich fiel es ihm schwer, seine kreativen Pausen ohne schlechtes Gewissen zu leben und zu erleben. Inzwischen, sagt er, weiß er, wie sehr seine Umgebung und er davon profitieren. Nicht nur, weil er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber gelassener ist und seine Familie seine Ausgeglichenheit schätzt, sondern auch, weil ihm das tägliche Innehalten dazu verhilft, immer wieder auf für ihn überraschende Weise inspiriert und angeregt zu werden und ungewöhnliche Lösungen für anstehende Probleme zu finden. Ganz im Sinne der Gehirnforschung, die nachgewiesen hat, dass unser Gehirn nicht nur den Schlaf benötigt für das Verarbeiten von tagsüber Gelerntem, sondern auch die bewussten Pausen am Tag, damit wir kreativ sein können und lange geistig fit bleiben.
Checkliste
Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.
1.) Je nach Ihrer beruflichen Tätigkeit werden Ihre kreative Pausen im Arbeitsalltag anders ausfallen. Wenn Sie beispielsweise überwiegend sitzen müssen, versuchen Sie, zwischendrin immer mal wieder aufzustehen, ein paar Schritte zu gehen, den Blick aus dem Fenster zu genießen oder den Anblick eines von Ihnen gewählten Bildes an der Wand oder eines Gegenstandes auf Ihrem Schreibtisch. Entspannen Sie sich mit gehenden Tätigkeiten, mit Treppensteigen, mit kraftvollem Walking nach Feierabend oder einem schwungvollen Tanz am Wochenende.
2.) Genießen Sie Ihre wohl verdienten kreativen Pausen, z. B. ein zwanzig Minuten langes Power Napping in ihrer Mittagspause, ohne jeden Selbstzweifel. Ihren inneren Stimmen mit Sätzen wie „du musst aber…“, „du kannst jetzt nicht vom Schreibtisch weggehen“ zeigen Sie die rote Karte und sagen dazu „stopp“.
3.) Kreativität und Effizienz lassen sich nicht durch ständig hartes Arbeiten und Selbstausbeutung herbei zwingen. Hilfreich dagegen ist ein Wechsel zwischen anregenden Tätigkeiten, Inspirationen außerhalb des Berufs und Routinearbeit. Wenn wir zum Beispiel Hausarbeit bewusst als Kopfreiniger betrachten, anstatt als lästige und ungeliebte Aufgaben, werden wir rasch merken, dass sie keine Zeitverschwendung sind, sondern ebenfalls eine kreative Pause mit überraschenden Ergebnissen.
4.) Alles, was Ihren Kopf freimacht, Ihnen erlaubt, Ihre Gedanken schweifen zu lassen und Ihrem Unterbewusstsein viel Raum gibt, hilft Ihnen, neue Ideen zu entwickeln und kreativ zu sein.
5.) Kreative Pausen sind überall möglich: In der Schlange vor der Kasse im Supermarkt ebenso wie im Wartezimmer des Arztes, im Stau im Feierabendverkehr. Beispielsweise lässt es sich mit einem guten Buch oder einem spannenden Schmöker in der Tasche in früher als Stress empfundenen Alltagssituation entspannen.
Tipps zum Lesen
Immer, wenn es für uns möglich ist, wählen wir für Sie aus der sehr umfangreichen Literatur zu Beruf und Karriere einige Bücher aus, die unsere ganz subjektiven Empfehlungen für Sie sind:
Geißler, Karlheinz, Lob der Pause – Warum unproduktive Zeiten ein Gewinn sind, 2010, Oekom Verlag, ISBN 9783865812001