Der "getigerte" Bettvorleger
„Er ist mal wieder als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“. Wie oft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einander diesen Satz hinter vorgehaltenen Hand zugeflüstert haben, nachdem sie wieder einmal erkennen mussten, ihre Führungskraft hatte zum x-ten Mal viel versprochen und wenig gehalten, ist unbekannt. Jedes Mal klang die Aussage ihres Chefs, ihrer Chefin überzeugend. Genauso oft blieb sie eine leere Versprechung. Etwa, dass die Arbeitszeiten besser geregelt und rechtzeitig abgestimmt werden. Oder, dass die seit Monaten freie Stelle so rasch wie möglich wieder besetzt sein wird – bis heute ist noch nicht einmal die Stellenausschreibung veröffentlicht. Der von allen gemeinsam aufgestellte Grundsatz, Kritik an der Arbeit sprechen wir direkt an, statt über jemanden zu reden, wird von der Führungspersönlichkeit genauso wenig eingehalten, wie am Ende von der ganzen Abteilung. Und das mit viel Theatralik eingeführte Leitbild des Unternehmens, die Kunden in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen, hat die Führungsspitze schon kurz nach der Veröffentlichung „vergessen“.
Das Ergebnis überrascht kaum: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit ihrer Vorgesetzten, und Chefs ihren Einfluss in ihren Teams. Ihnen bleibt jetzt nur noch Druck und Angst als Führungsinstrument, statt Vertrauen und Offenheit. Wir lassen uns alle, besonders unter schwierigen Situationen, rasch dazu verleiten, etwas vorschnell zu versprechen. Spätestens jedoch, wenn wir erkennen, wir können unsere Zusagen nicht einhalten, stärken wir unsere Glaubwürdigkeit unserem Team oder unserem Kollegen, unserer Kollegin gegenüber, wenn wir dies offen kommunizieren, statt weitere Zugeständnisse zu machen, die wir dann ebenso wenig erfüllen können. Wir steigern unsere Glaubwürdigkeit, wenn wir vor allem die berühmten Taten sprechen lassen, statt die von unserem Gegenüber auch gerne mal missverstandenen Worte. Wir steigern sie auch dadurch, dass wir nur wenige, entscheidende Dinge laut versprechen, dafür uns selbst und leise gegebene Versprechungen selbstbewusst einhalten, und damit vermitteln, dass wir an die von uns gesetzten Ziele glauben und uns dafür, so gut wir es vermögen, einsetzen. Nicht der Applaus für eine Absichtserklärung ist uns wichtig, für uns zählt das, was wir erreicht haben.
Checkliste
Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.
1.) Für Führungskräfte kann es fatal sein, wenn sie unglaubwürdig in ihrem Verhalten sind. Nicht eingehaltene Versprechungen, Unzuverlässigkeiten lösen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – manchmal nur unbewusst – die Frage aus, kann ich mich in entscheidenden Angelegenheiten auf meinen Chef, meine Chefin verlassen?
2.) Als Führungspersönlichkeit ist es deshalb wichtig, darauf zu achten, gegebene Versprechen auch einzuhalten und diese nicht zu „vergessen“. Wenn es einmal nicht möglich ist ein Versprechen einzulösen, dann es wichtig, sofort und offen darüber zu sprechen, um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht zu sehr zu enttäuschen. Allerdings sollte daraus kein Schema werden. Immer wieder angebrachte Entschuldigungen für nicht eingelöste Zusagen lassen das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen in die Führungskraft ebenfalls rasch schwinden.
3.) Schwierig wird es immer dann, wenn Sie aus Ihrer Sicht kein Versprechen abgegeben haben, aus der Sicht Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch schon. Etwa, wenn Sie kommunizieren, dass in einigen Monaten sich die wirtschaftliche Lage für Ihr Unternehmen wieder gebessert und die Zeiten für alle wieder ertragreicher sein werden. Sie haben die allgemeine Situation dargestellt, Ihre Mitarbeiter hören, es gibt dann eine Gehaltserhöhung. Auch hier gilt: Sprechen Sie offen an, dass Sie unbeabsichtigt falsche Erwartungen geweckt haben und versuchen Sie künftig, durch klare Aussagen falsche Interpretationen weitgehend zu vermeiden.
Tipps zum Lesen
Immer, wenn es für uns möglich ist, wählen wir für Sie aus der sehr umfangreichen Literatur zu Beruf und Karriere einige Bücher aus, die unsere ganz subjektiven Empfehlungen für Sie sind:
Dernbach, Beate, Meyer, Michael, Vertrauen und Glaubwürdigkeit: Interdisziplinäre Perspektiven, 2005, S Verlag für Sozialwissenschaften, ISBN: 9783531141169