Ich höre zu – also führe ich (Teil 1)

Betroffen legte mein Klient Franz W. die Umfrage auf die Seite. Auf seinen Wunsch hin hatte ein Meinungsforschungsinstitut seine 78 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in seinem mittelständischen Industriebetrieb befragt und dabei festgestellt, dass 2/3 von ihnen Dienst nach Vorschrift machen, dagegen nur 15% sich ihrem und damit seinem Unternehmen verpflichtet fühlen, wenn es um ihre Arbeit geht. Die übrigen waren eher gleichgültig seinem Haus gegenüber. „Ich habe es ja geahnt, dass etwas nicht stimmt, die Stimmung bei uns ist schlecht, das zeigt sich auch an unserer Auftragslage. In welchen Bereichen kann ich meinen Führungsstil verbessern, damit sich mehr Kolleginnen und Kollegen für ihre Arbeit und für das Unternehmen engagieren?“ fragte er mich.

Mit dem Beauftragten des Meinungsforschungsinstituts und mit der Frage an mich hatte er bereits einen wichtigen ersten Schritt getan. Er hatte die Verantwortung übernommen für sein Tun. Auch für sein teilweises Scheitern im Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ein erstes Ziel unsere Zusammenarbeit sollte sein, dass er seine Stärken und vor allem seine Schwächen als Führungskraft kennen lernt. Dazu gehörte für ihn auch die Selbsterfahrung seiner Rolle als Unternehmer eines Betriebs, der seit drei Generationen seiner Familie gehört.

Nach einigen Wochen intensiver Coaching-Arbeit entschied er, dass er aufmerksamer und offener zuhören möchte als bislang. Jetzt machen Gespräche mit seinen Teamleitern, in der Produktion und in der Verwaltung einen erheblichen Teil seiner täglichen Arbeit aus. Und zu seiner eigenen Überraschung hat er dennoch mehr Zeit für seine sonstigen Aufgaben. Denn oft finden seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im freimütigen Erzählen über ihre Herausforderungen selbst die Lösung und packen das Problem dann direkt an, ohne dass er sie erst dazu motivieren oder verpflichten muss.

Inzwischen nennt er sein aktives Zuhören auch. „ich höre zu – also führe ich“.

Checkliste

Die Checkliste verweist auf Fragen und Erfahrungen aus der täglichen Coaching-Praxis.

 

1.) Über kaum ein Thema findet sich so umfangreiche Coaching-Literatur und ist das Angebot an Seminaren so groß wie über die Fragen zum „richtigen“ Führen von Unternehmen, Mitarbeitern, Teams und Institutionen. Wir bieten Ihnen in den kommenden Wochen einige Anregungen zu diesem Thema, die aus unserer täglichen Arbeit resultieren.

2.) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klagen häufig darüber, dass ihnen ihre Vorgesetzten nicht wirklich zuhören, sondern in Gesprächen mehr ab- als anwesend wirken.

3.) Aktives Zuhören einer Führungskraft vermittelt den Kolleginnen und Kollegen den Eindruck, sie werden ernst genommen mit ihrem Anliegen und mit ihren Lösungsvorschlägen.

4.) Zuhören lässt sich üben. Auch beim Lesen. Zum Beispiel von kleinen Meldungen in Tageszeitungen. „Hören“ Sie, welche Information Sie dort bekommen und überlegen Sie dann, welche Fragen Sie stellen können: „Wegen der schlechten Auftragslage muss der mittelständische Verpackungshersteller ein Drittel seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entlassen. Für die restlichen 74 wurde Kurzarbeit beantragt.“ Versuchen Sie, dazu mehrere Fragen zu finden.

Ein paar mögliche Fragen sind: Wo sitzt das Unternehmen? Welche Art von Verpackungen stellt es her? Aus welchen Bereichen werden Mitarbeiter entlassen? Was machen die Mitbewerber? Gibt es andere Arten von Einsparmöglichkeiten? Gibt es neue Märkte für die vorhandenen Produkte? Oder neue Produkte, die das Unternehmen auf den Markt bringen könnte?

Tipps zum Lesen

Immer, wenn es für uns möglich ist, wählen wir für Sie aus der sehr umfangreichen Literatur zu Beruf und Karriere einige Bücher aus, die unsere ganz subjektiven Empfehlungen für Sie sind:

 

Kell, Ulrich, Die Kunst der Führung, 2005, Gabler Verlag, ISBN: 978-3409143202

Rahn, Horst-Joachim, Personalführung kompakt

2008, Oldenbourg Verlag, ISBN: 978-3486585063

Beiträge, die Sie auch interessierten könnten